Pustertal: Netzwerk zur Erhaltung der Kulturartenvielfalt arbeitet engagiert

Aktive GärtnerInnen, Bäuerinnen und Bauern organisieren sich im Pustertal in Ost- und Südtirol grenzübergreifend, um sich für den Erhalt von traditionellen Kulturpflanzen einzusetzen.

Sie sind leicht zu übersehen, liegen hinter Stallgebäuden an den steilen Hängen der Pustertaler Sonnenterrasse oder befinden sich versteckt von hohen Gartenzäunen nahe der Drau. Man findet sie auch unmittelbar neben der B 100, rast aber mit Höchstgeschwindigkeit an ihnen vorbei. Eine Gruppe von Gärtnerinnen, Gärtnern, Bäuerinnen und Bauern will sie nun nicht nur sichtbar, sondern auch auf ihre Bedeutung aufmerksam machen: jene winzigen Äcker und Gärten, in denen noch die traditionellen Kulturpflanzen angebaut werden und die noch vor wenigen Jahrzehnten im Pustertal großflächig anzutreffen waren. Erbsen, Ackerbohnen (Schollepoan), Mohn, Herbstrüben und deren lokale Sorten/Herkünfte.

 

Die kulturhistorische Bedeutung traditioneller Architektur ist im öffentlichen Bewusstsein fest verankert. Deren Erhaltung ist für die Identität unserer Region von großer Bedeutung. Wenig wahrgenommen wird aber, dass auch traditionelle Kulturarten und deren Herkünfte kulturelles Erbe und mit ihrem Genpool auch eine Lebensversicherung für die Zukunft darstellen. Auf diesem Acker in Assling werden von einer Familie, die die Vielfalt liebt und pflegt, auch Ackerbohnen, die „Pustertaler Schollepoan“, angebaut und über Jahrzehnte vermehrt.

 

Es gibt diese traditionellen Kulturpflanzen nur noch, weil sich ein paar engagierte Gärtnerinnen und Gärtner, Bäuerinnen oder Bauern für deren Erhaltung einsetzen. Sie organisieren sich nun grenzübergreifend im Pustertal im Interreg Dolomiti-Live Projekt „PuKuVi“ (ITAT 4143), um gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, ihre Freude am Nachbau von Saatgut zu teilen und jene Techniken zu erlernen, die wesentlich sind, um diese Erhaltungsarbeit erfolgreich zu machen. Es wirken bereits Akteure aus sieben Gemeinden des Pustertales mit. Dabei handelt es sich sowohl um „SelbstversorgerInnen“, als auch um Bäuerinnen, die in kleinem Umfang Gemüse „vermarkten“. Einige verfügen über sehr viel Erfahrung in Bezug auf Saatguterhaltung, andere steigen neu ein und wollen die notwendigen Techniken zur Saatguterhaltung erst erlernen.

Saatguterhaltung ist nicht nur immaterielles historisches Kulturerbe im Pustertal, sondern profitiert auch von neuesten Erkenntnissen aus dem Gartenbau und der Pflanzenzüchtung. Im Rahmen dieses von der Gemeinde Assling ausgehenden Netzwerkes, an dem auch die Eurac/Bozen mitwirkt und das von der Universität für Bodenkultur Wien beraten wird, konnten sich Interessierte aus dem Pustertal bereits mehrmals zu fachlichem Austausch treffen.

 

Das Projekt PuKuVi will die Bedeutung der Erhaltung lokal angepasster und dem Geschmack der Familie entsprechender Herkünfte/Sorten von jenen Kulturarten, die im Pustertal Tradition haben, sichtbar machen und den Erfahrungsaustausch darüber fördern. Im Bild eine in Assling von einer engagierten Gärtnerin bereits lang erhaltene Erbsensorte

 

Nun sind weitere Gartenrundgänge, Workshops und andere Veranstaltungen im Rahmen des Projektes PuKuVi im gesamten Pustertal geplant. Am 11. November 2021 wird sich eine öffentliche und online veranstaltete Tagung dem Saatgutrecht widmen und klären, was Freundinnen und Freunde der Saatguterhaltung beachten müssen, wenn sie Saatgut traditioneller Kulturarten vermehren und weitergeben.

Brigitte Vogl-Lukasser, die das Netzwerk koordiniert, ruft auf: „Wer im Pustertal Gärtnerinnen, Gärtner, Bäuerinnen oder Bauern kennt, die noch traditionelle Kulturpflanzen anbauen oder selbst Freude an der Vermehrung von Saatgut hat, kann sich unter Tel.-Nr. 01/47654-933-37 bei mir melden. Wir laden ausdrücklich alle  Pustertalerinnen und Pustertaler, die Freude an der Erhaltung der Vielfalt in unseren Gärten und Äckern haben, ein, in unserem Netzwerk mitzumachen, auch wenn sie Saatgut von erst kurz im Pustertal anzutreffende Arten – wie Tomate, Chilis oder Asia-Salate – selbst an- und nachbauen. Die Erhaltung unseres Saatgutes ist ein Handwerk, dass auch über traditionelle Arten hinaus große Bedeutung hat und gepflegt werden sollte“, betont Vogl-Lukasser.

 

Text: Redaktion, Fotos: C. und B. Vogl

14. September 2021 um