PuKuVi Assling: „Biodiversitätskrise ist auch eine Saatgutkrise!“

Rechtliche Einschränkungen bedrohen die Erhaltung und Weiterentwicklung der Kulturartenvielfalt. Bei einer Online-Veranstaltung wurde darüber informiert und diskutiert.

Die Gemeinde Assling und die Europäische Akademie Bozen luden am Donnerstag, 25. November, im Rahmen des Interreg Dolomiti-Live Projektes Pustertaler Kulturarten Vielfalt (PuKuVi, ITAT4143) zu einer Online Veranstaltung über die aktuelle rechtliche Situation bei Tausch und Verkauf von Saatgut. Gefolgt waren der Einladung 60 TeilnehmerInnen, darunter Bäuerinnen und Bauern, PolitikerInnen, sowie VertreterInnen von Behörden aus Süd-, Nord- und Osttirol.

Ob, auf welchen Wegen und welche Art von Saatgut in Verkehr gebracht werden darf, unterliegt strengen gesetzlichen Bestimmungen. Saatgutrecht und Sortenschutz sind genauso zu beachten wie etwa die neue EU-Verordnung für die Pflanzengesundheit. Drei Organisationen, die mit der Erhaltung und Weitergabe pflanzengenetischer Ressourcen Erfahrung haben, Rete Semi Rurali (IT), Pro Specie Rara (CH) und Arche Noah (AT), stellten für ihr Land die jeweiligen Rahmenbedingungen dar.

 

Mit der Erhaltung und dem Austausch lokaler Saatgutherkünfte beschäftigen sich viele Initiativen. Im Bild „Coltivare Condividendo” aus dem Belluno am Saatguttauschmarkt in Feltre 2018

 

In Österreich ist es erlaubt, Saatgut nicht registrierter Sorten in kleinen Mengen in Verkehr zu bringen. In der Schweiz ist das „Tauschen von Saatgut“ nicht nur als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO anerkannt, sondern auch aus den gesetzlichen Bestimmungen des Saatgutrechtes herausgelöst. Verkauf und Tausch von Saatgut in Kleinmengen sind ohne rechtliche Einschränkungen erlaubt.

Brisant ist die Situation in der Autonomen Provinz Bozen und somit im Südtiroler Teil des Pustertales. Menschen, die dort Saatgut von besonderen Raritäten und kulturell wertvollen Kulturpflanzen vermehren und in Verkehr bringen wollen, stehen, wie eine Teilnehmerin meinte, „mit einem Fuß im Gefängnis“. Dieses in Verkehr bringen ist in Bozen nicht erlaubt, auch nicht für Kleinmengen. Dass dies eine unhaltbare Situation ist und die Vielfalt besonders stark gefährdet, sprach Sabine Schrott von den Artenvielfaltshöfen im Südtiroler Pustertal bei der Veranstaltung mehrfach an. Sabine Schrott fordert eine Politik, bei der die Erhaltung und Weitergabe von lokalen Saatgutherkünften gefördert, nicht behindert wird .

 

Artenvielfaltshöfe, wie etwa der Felderhof aus dem Südtiroler Pustertal, brauchen eine breite Unterstützung der Gesellschaft und förderliche rechtliche Rahmenbedingungen, um sich auch für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt weiter einsetzen zu können.

 

Die Diskussion mit eingeladenen PolitikerInnen und InteressensvertreterInnen zeigte deutlich, dass der dringende Handlungsbedarf erkannt wurde. Man war sich einig: Die pflanzengenetische Vielfalt unserer Kulturpflanzen ist aus vielen bekannten Gründen aber auch durch wenig förderliche rechtliche Einschränkungen stark bedroht. Wenn sich Interessierte nicht stark und gemeinsam für Vielfalt einsetzen, verlieren unsere Agrarökosysteme an Stabilität. Aber auch die Landwirtschaft hat dann weniger Optionen für eine Anpassung an den Klimawandel. Für eine Reihe kleinbäuerlicher Betriebe im Berggebiet haben traditionelle Kulturarten, deren lokale Herkünfte, und daraus hergestellte Produkte überdies ein hohes Potential für innovative Wertschöpfungsketten.

 

Die Weitergabe von Saatgut ist oftmals verknüpft mit dem Austausch von Erfahrungswissen zu Anbau und Nutzung über Generationen hinweg.

 

Das Resümee aller RednerInnen bei der Online-Veranstaltung: „Weitere Verschärfungen von rechtlichen Rahmenbedingungen für Weitergabe, Tausch oder Verkauf von Saatgut lokaler Herkünfte in Netzwerken, zwischen HobbygärtnerInnen aber auch zwischen landwirtschaftlichen oder gartenbaulich wirtschaftenden Betrieben müssen nicht nur verhindert werden. Es müssen eher Erleichterungen überlegt werden, die dabei helfen, die bestehenden und international vereinbarten Strategien zur Erhaltung der Biodiversität noch besser umzusetzen. Eine grenzübergreifende Zusammenarbeit, wie sie in Interreg Dolomiti-Live Projekten gepflegt wird, ist besonders wertvoll. Die Vielfalt muss in allen Ländern eine Chance haben!”

 

Text: Redaktion, Fotos: C. R. Vogl

01. Dezember 2021 um