Ab in die Vertikale – das Klettern boomt in Sillian

Wir sprachen mit Kletterern des Sillianer Alpenvereins über den frischen Schwung, den die Kletter-Community seit Eröffnung des neuen Boulderraumes aufgenommen hat.

bouldernsillian5_c_luggerDer Ursprung des Sportkletterns, geprägt von Eigenschaften wie Athletik, Ästhetik, Energie und Körperbeherrschung, lässt sich nicht exakt bestimmen. Es gab mehrere Entwicklungslinien, die dazu beigetragen haben, dass diese Sportart in ihrer heutigen Form existiert und so viele Menschen fasziniert. In erster Linie ist natürlich das Bergsteigen oder klassische alpine Klettern zu nennen, das in den Alpen eine lange Tradition hat. Das Ziel bestand hier vornehmlich in der Besteigung eines Gipfels, der Stil und die Mittel zur Erreichung des Zieles spielten anfangs noch keine Rolle. Später entwickelte sich daraus das Sportklettern, bei dem es weitestgehend darum geht, Routen im Sinne des Freikletterns zu bewältigen.

„In Sillian wurde noch in den 1970er-Jahren vorwiegend das Alpinklettern praktiziert und dann von einigen wenigen das Sportklettern als eine attraktive Variante entdeckt“, erinnert sich Bruno Schneider zurück. Seit etwa 30 Jahren ist der heute 55-Jährige ein begeisterter Kletterer. Gemeinsam mit Gleichgesinnten konnte er früher das Indoor-Sportklettern nur in einem kleinen Raum im Gemeindehaus ausüben. „Später haben wir in der sogenannten ,Großen Kaserne‘ eine neue und etwas bessere Möglichkeit gefunden. Der Wunsch nach einem professionell gestalteten Kletterzentrumbestand bei den bergbegeisterten Sillianerinnen und Sillianern aber schon lange.“

Bruno Schneider vom Sillianer Alpenverein klettert schon seit rund 30 Jahren und zeigt sich vom neuen Kletter-Boom im Oberland begeistert.

Bruno Schneider vom Sillianer Alpenverein klettert schon seit rund 30 Jahren und zeigt sich vom neuen Kletter-Boom im Oberland begeistert.

Bei unserem Besuch im neuen Boulderraum im Obergeschoß des Sillianer Sportzentrums hält sich Bruno Schneider im Kreis vieler junger Kletterbegeisterter auf und ist, wie er betont, immer gerne auch beim Bouldern mit dabei. Die auf Basis hoher Eigenleistungen errichtete Einrichtung bietet mit rund 190 Quadratmetern ausgezeichnete Rahmenbedingungen dafür, das Bouldern als Indoor-Sport und als ideales Training für das Alpin- und Sportklettern auszuüben. „Bouldern ist das Klettern in Absprunghöhe. Die Sicherheit ist durch eine dicke Matte am Boden gewährleistet, sodass man diesen Sport auch jederzeit alleine ausüben kann“, erklärt Manuel Leiter. Beim „Free Solo Masters 2016“
in Lienz Mitte August konnte sich der 27-Jährige als drittbester Osttiroler bewähren. Mit Top-Leistungen in der 16 Meter hohen Wand glänzten auch seine Sillianer Kollegen Rafael Walder
und Roman Weitlaner.

Nina Jeller (links) und Sandra Bachmann

Nina Jeller (links) und Sandra Bachmann

„Der besondere Reiz des Kletterns lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Man muss es einfach tun“, antwortet Roman auf die Frage, was ihn am Klettern so fasziniert. „Wenn dir zum Beispiel ein Boulder gelingt, den du vorher noch nie geschafft hast und an dem du vielleicht schon lange arbeitest, dann
bedeutet dies nicht nur eine große Erleichterung, sondern auch ein unbeschreibliches Glücksgefühl“, kommt Manuel ins Schwärmen. „Das Bouldern unterscheidet sich deutlich vom Klettern im Fels. Das
Risiko von Verletzungen ist in der Boulderhalle gering. Außerdem fallen Angstgefühle, die beim Alpinklettern nicht selten sind, natürlich weg“, erklärt Manuel wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kletterarten.

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Rafael Walder

„Während man sich beim Bouldern richtig austoben kann, ist man beim Alpinklettern gefordert,
wenn notwendig den Rückzug anzutreten und zu lernen, nicht immer bis ans Limit zu gehen“, betont Rafael Walder, mit 22 Jahren der Jüngste in der Gruppe. Ricarda Schneider hat etwas Höhenangst, wenn sie im Fels klettert. „Beim Bouldern ist dies anders. Seit es die neue Boulderhalle in Sillian gibt, bin ich wieder viel aktiver. Ich probiere gerne vieles aus, und das Bouldern ist für mich genau das
Richtige. Bei dieser Sportart bleibt auch viel Platz für den Moment“, philosophiert sie. Ihre Kollegin Sandra Bachmann ist von Beruf Lehrerin und ausgebildete Klettertrainerin. Auch sie bouldert gerne in der neuen Halle und koordiniert Klettereinheiten für Schulen. „Klettern ist für mich ein Gesundheitssport, bei dem Körperspannung, Kraft, Koordination und Konzentration gefördert
werden. Zu Beginn ist es für viele Kinder manchmal noch schwierig, sich überhaupt in der Wand halten zu können. Aber sie lernen schnell. Ich habe bei meinen Kletterstunden noch nie erlebt, dass es einer Gruppe keinen Spaß gemacht hat.“

Roman Weitlaner

Roman Weitlaner

Nina Jeller zeigt sich fest davon überzeugt, dass der neue Boulderraum des Alpenvereins einen Meilenstein in der Entwicklung des Klettersports in der Oberländer Marktgemeinde darstellt. „Diskussionen über eine Boulder- oder Kletterhalle gab es bei uns schon lange. Für den Alpenverein und alle Kletterbegeisterten war es eine einmalige Gelegenheit, sich an der Neuerrichtung des Sportzentrums zu beteiligen. Ein Boulderraum war aus Platzgründen leichter zu verwirklichen, und
auch der Aufwand für den Betrieb fällt geringer aus als bei einer Kletterhalle, wie es sie etwa in Toblach oder Sexten gibt. Ohne das Engagement unseres Finanzreferenten Johannes Viertler würden wir in Sillian wohl keine solche Boulderanlage haben –ihm gebührt besonderer Dank“, meint sie.

Ricarda Schneider

Ricarda Schneider

„Über den Klettersport haben sich schon viele neue Freundschaften entwickelt“, betonen Rafael, Manuel und Roman abschließend. Die drei sind inzwischen zu einem eingeschweißten Team geworden, was sich besonders auch dann bewährt, wenn sie gemeinsam in den Felswänden der Region
unterwegs sind. „Beim Seilklettern ist das eigene Leben vom Kameraden abhängig, der sichert. Hier ist blindes Vertraue gefragt. Wir wissen inzwischen aufgrund unzähliger gemeinsamer Touren und vieler
Diskussionen ziemlich genau  wie der jeweils andere tickt.“

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Boulder-Meisterschaft des Alpenvereins Sillian
Samstag, 24. September 2016, Boulderraum
Eingeladen sind alle, die Spaß am Klettern und Bouldern haben. Von 14.00 bis 18.00 Uhr kann auf 15 bis 20 neuen Routen gebouldert werden. Die Resultate werden in eine Karte eingetragen. Die Ränge 1 bis 3 erhalten einen Preis. Der Hauptpreis wird unter allen Teilnehmern verlost. Um 19.00 Uhr findet
die Siegerehrung statt, anschließend wird bei der After Contest Party gefeiert.
Anmeldungen bis 22. September unter boulderraum.sillian@gmail.com

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

10. September 2016 um