Ein Tandemflug mit Marvin Wibmer: „Hurra, wir fliegen!“

Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl der Freiheit und Grenzenlosigkeit, das ich Ende Oktober mit Gleitschirm-Pilot Marvin Wibmer hoch oben über Matrei genießen durfte.

Gleitschirm ausbreiten, einhängen – und mit ein paar schnellen Schritten geht es ab in die Lüfte. Was für ein traumhaftes Erlebnis. „„Mit dem Fliegen begonnen habe ich eigentlich als Fallschirmspringer auf einem Sprungplatz in Nordtirol. Irgendwann habe ich mir von einem Nachbarn einen Gleitschirm ausgeliehen und in Proßegg und in Hinteregg meine ersten Versuche gestartet“, erzählt mir Marvin bei unserer Autofahrt ins Matreier Goldried. Nach dem Abschluss seiner Fallschirm-Ausbildung erwarb der  heute 31-Jährige den Paragleiter-Schein, wobei es ihm zugute kam, dass einige Themenbereiche, wie etwa das Flugrecht, bei beiden Kursen mehr oder weniger ident sind.

 

 

„Beim Paragleiten gelangt man mit relativ geringem Aufwand in luftige Höhen und kann das Flugerlebnis in vollen Zügen genießen“, beschreibt Marvin die, wie er sagt, einfachste Form des Fliegens. Seit rund zwei Jahren bietet der Iseltaler Tandemflüge an – hauptsächlich in der Bergwelt seiner Heimatgemeinde Matrei. „Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich, eine gewisse Fitness ist aber von Vorteil, da man beim Startvorgang einige schnelle Schritte machen muss, um abheben zu können. Ich möchte meinen Passagieren ein Flugerlebnis bieten, das den jeweiligen  Vorstellungen entspricht. Manche möchten es eher gemütlich, andere mit mehr Action.“

 

 

Marvin und ich sind inzwischen auf unserem Startplatz angekommen. Der Hang befindet sich etwas unterhalb der Bergstation der Gondelbahn im Großglockner Resort Kals-Matrei. „Von hier aus starten wir auch im Winter. Mit Skifahrern fliege ich in der kalten Jahreszeit von der Bergstation bis zur Talstation. Voraussetzung ist, dass auch im Tal Schnee liegt, damit wir mit den Skiern auch landen können.“ Marvin breitet seinen Gleitschirm am Hang aus. „Für die Tandemflüge verwende ich diesen besonders großflächigen Schirm. Er ist vor allem auf Sicherheit ausgelegt, weniger auf Leistung. In den letzten Jahren haben sich die Schirme zu einem komplexen Hightech- Produkt entwickelt. Natürlich ist auch ein Rettungsschirm immer im Rucksack mit dabei.“

 

 

Die Windverhältnisse sind an diesem Tag, wie er meint, ideal. „Der Wind weht leicht von Süden, was besser ist als Nordwind, da wir eine Abhebegeschwindigkeit von etwa 20 km/h benötigen. Wenn starker Wind von Norden weht, müssten wir diese Geschwindigkeit auch mitlaufen.“ Nach einem Briefing hängt er mich in den bequemen Sitzgurt ein, der sogar über einen kleinen Airbag für eine weiche Landung verfügt. Nach ein paar schnellen Schritten geht es ab in die Lüfte. Das Gefühl ist unbeschreiblich. Wir ziehen unsere Kreise über der Tauerngemeinde und haben kurz vor der sanften Landung noch Schloss Weißenstein direkt unter uns. Eine perfekte Landung – mein Pilot hat seine Sache gut gemacht!

 

 

Während wir gemeinsam den Schirm zusammenfalten und einpacken, erzählt mir Marvin vom Trendsport „Hike & Fly“, also der Kombination von Bergsteigen und Paragleiten. „Auf die Berge zu steigen und mit dem Gleitschirm ins Tal zu schweben – das mache ich derzeit besonders gerne. Im vergangenen Sommer bin ich von Matrei nach Ramsau am Dachstein, in die Heimat meiner Mama Andrea, gewandert. Einen kleinen Gleitschirm hatte ich natürlich im Gepäck dabei. Immer wenn es die Verhältnisse erlaubt haben, bin ich Teilstrecken auch geflogen. In einem Biwak am Sonnblick habe ich das erste Mal übernachtet“, erinnert sich der Matreier zurück.

 

 

Marvin besitzt mehrere Gleitschirme und liebt es, in der Luft immer wieder auch Neues auszuprobieren. „Mit den kleinen Speedglidern ist man sehr schnell unterwegs. Die Streckenschirme mit einer Fläche ab ca. 20 Quadratmetern sind hingegen dafür prädestiniert, um mit möglichst viel Aufwind gut gleiten zu können, und beim Bergsteigen verwende ich einen Schirm mit einer Fläche von 12 bis 18 Quadratmetern. Speziell hier in Matrei weht oft der Nordwind, weshalb die Erfahrung des Piloten bei Tandemflügen eine wichtige Rolle spielt.“

 

 

Manchmal hilft der begeisterte Paragleiter bei Kollegen im Lienzer Talboden aus. „Dort ist das Gebiet weitläufiger und deshalb etwas anders zu befliegen. Ob man nun aber am Zettersfeld startet und über die Stadt Lienz und den Talboden gleitet oder dies hoch oben über Matrei tut – das traumhafte Gefühl von unendlicher Freiheit bleibt dasselbe!“

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Marlen Wibmer

04. Dezember 2020 um