Michael Erhart: „Tempo ist eine ständige Herausforderung!“

Der gebürtige Lienzer Michael Erhart ist seit 1995 bei der EU-Kommission in Brüssel tätig. Aktuell leitet er ein Team von Juristen im Bereich des Budgetrechtes.

Nicht erst seit dem 1. Juli 2018 – an diesem Tag hat Österreich zum dritten Mal nach 1998 und 2006 für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen – ist die EU auch bei uns wieder verstärkt ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Das Euro-Rettungspaket für Griechenland, der BREXIT und zuletzt die Uneinigkeit der Mitgliedsstaaten in Fragen der Flüchtlingspolitik wurden auch hierzulande breit diskutiert. Einer, der dies alles direkt an den Schnittstellen der Macht, im Herzen der EU in Brüssel, mitverfolgt, ist der Osttiroler Michael Erhart.

Geboren und aufgewachsen ist der 56-Jährige in Lienz. Sein Vater, Dr. Emil Erhart, stand lange Zeit dem Lienzer Gymnasium als Direktor vor. Am BG/BRG Lienz hat Michael auch maturiert, um dann im Anschluss an seinen Wehrdienst in Innsbruck Rechtswissenschaften zu studieren. „Mein Gerichtsjahr absolvierte ich in der Tiroler Landeshauptstadt und am Bezirksgericht Lienz“, erinnert sich Erhart zurück. Was dann folgte, liest sich heute als ebenso abwechslungsreicher wie spannender Lebenslauf: Als ersten Österreicher überhaupt gelang es ihm, ein Stipendium für ein Auslandsstudium am renommierten „College of Europe“ in Brügge zu erlangen. Nach Auslandssemestern in Aosta und Urbino/Italien erhielt er eine Beschäftigung als Uni-Assistent in Brügge, um dann als Berater des Botschafters der EU-Kommission in Österreich nach Wien zu wechseln. Erhart engagierte sich in der Frage der Vorbereitung österreichischer Firmen auf den EU-Beitritt, war Mitglied der Kartellbehörde und der Vergabekontrollkommission und übte jahrelang eine Lehrtätigkeit an der Wirtschaftsuniversität in Wien bzw. an der Verwaltungsakademie des Bundes aus. Aus dieser Zeit stammen auch Bücher und Artikel zum Europarecht, die der Jurist verfasste und veröffentlichte.

1995 erhielt er die Chance, Mitarbeiter des ersten österreichischen EU-Kommissars, Franz Fischler, zu werden. In der Folgezeit wirkte er u.a. als Mitglied des Juristischen Dienstes, als Leiter einer Abteilung zur Kontrolle staatlicher Beihilfen, war Verhandler von wirtschaftlich relevanten Abkommen der EU mit Südkorea, Kanada, Australien und den USA sowie Leiter der Stelle zur Registrierung geographischer Herkunftsbezeichnungen in der EU-Kommission, was, zum besseren Verständnis, mit einem „Markenamt“ vergleichbar ist.

„Seit zwei Jahren ist es nun meine Aufgabe, eine Abteilung mit fünfzehn Juristen aus verschiedenen EU-Staaten zu führen“, informiert Erhart und meint, dass die „nicht selten recht radikalen“ Jobwechsel alle fünf Jahre auch für ihn nicht immer ganz einfach zu bewältigen waren. „Die Themen, mit denen mein Team und ich heute befasst sind, variieren. Fast täglich stehen wir vor neuen Herausforderungen. Die Palette reicht von juristischen Fragen zu Verträgen mit der Investitionsbank der EU, von EU-Garantien, die für Kredite in Ländern wie Syrien schlagend werden, von Vorschriften für das Management einer Kartellbuße bis hin zur Rückzahlung von zu hoch eingehobenen Zöllen oder zu Finanzregeln der EU-Agenturen, z.B. des EU-Amtes für `Geistiges Eigentum` in Alicante. Wir arbeiten hauptsächlich als kommissionsinterne Rechtsberater. Außerhalb der Kommission sind die Europäische Investitionsbank und nationale Entwicklungsbanken unsere wichtigsten Ansprechpartner.“ Dabei spiele, so der Jurist, das Tempo in der Erledigung der gestellten Aufgaben ebenso eine Rolle wie politische Komponenten. „Was wir sagen, kann am nächsten Tag schon in der Zeitung stehen“, erklärt er.

Jungen Menschen, die sich für eine Tätigkeit im Ausland interessieren, rät Michael Erhart vor allem eines, nämlich Sprachen zu lernen. „Gutes Englisch ist heute eine Selbstverständlichkeit. Empfehlenswert sind darüber hinaus Spanisch, Russisch, Japanisch und Chinesisch. Manchmal können aber auch weniger geläufige Sprachen wie Schwedisch oder Niederländisch das ´Plus´ für einen guten Job sein.“ Nützen sollte man unbedingt auch die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes, z.B. im Rahmen von Erasmus-Stipendien. „Studiert nicht ewig, sondern sammelt lieber Erfahrungen“, so sein Tipp an junge Leute, den er mit dem Hinweis ergänzt, dass derzeit europaweit ein großer Mangel an IT-Fachkräften bestehe. „Und ich höre immer wieder, dass für Programmierer Lateinkenntnisse nicht die schlechteste Basis sein sollen“, spricht er die Vorteile einer guten, breitgefächerten Schulbildung an. Nach Osttirol kommt Michael Erhart, wie er abschließend sagt, immer wieder gerne zurück. „Ich liebe die Berge, die Natur und schätze zunehmend die gute regionale Küche!“

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Foto: Martin Lugger

17. September 2018 um