Hospiz: Für die, die gehen – und die, die bleiben

Reinhilde Tabernig, die seit 2012 das Regionalbüro der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft in Lienz leitet, erzählte uns über ihre genauso herausfordernde wie erfüllende Arbeit.

Hoffnung, Kraft und Zeit zu geben und einfach da zu sein für schwer kranke, sterbende Menschen sowie deren Angehörige – das ist die Aufgabe, der sich die haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft (THG) verschrieben haben. Von ihrem Büro am Schleinitzweg 6 in Lienz aus zeichnet Reinhilde Tabernig seit mittlerweile sieben Jahren für die Leitung der Hospizarbeit im Bezirk verantwortlich. Sie fungiert als Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Thema Hospiz und als Koordinatorin der Hospizbegleiter-Innen. „Aktuell besteht die Hospizgruppe Osttirol aus 22 Ehrenamtlichen, die im Schnitt ein bis drei Stunden pro Woche bei schwer Kranken oder Sterbenden verbringen und deren Angehörigen, auf Wunsch auch in der Zeit der Trauer, zur Seite stehen“, erzählt sie. „Unsere HospizbegleiterInnen arbeiten unentgeltlich und überkonfessionell nach den Grundprinzipien der Hospizbewegung. Sie verfügen über eine qualifizierte Ausbildung und unterliegen der Schweigepflicht.“

Der Umgang mit Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden, und die Konfrontation mit dem Tod erfordern reife Persönlichkeiten, eine große Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Lebenseinstellungen sowie Sensibilität und Einfühlungsvermögen. „Jeder Mensch, jede Familie ist anders, keine Situation gleich. Unsere ehrenamtlich engagierten Frauen und Männer stoßen nicht selten in einen sehr intimen Bereich vor. Wichtig dabei ist, die Rolle als Ratgeber und Hilfesteller  wahrzunehmen und die Familie in gewohnter Weise ihre Fürsorge weiter ungestört ausüben zu lassen. Unsere HospizbegleiterInnen sind sozusagen Gast, mit allen Rechten und Pflichten, die man zu erfüllen hat, aber stets zum Wohle der Betroffenen und der Gesamtsituation.“

 

Reinhilde Tabernig: „Wir suchen im Raum Osttirol Frauen und Männer, die sich zu diesem speziellen Ehrenamt berufen fühlen. Für sie wird 2020 ein eigener Hospizbegleiter-Ausbildungskurs in Osttirol angeboten. Informationen dazu gibt es im Rahmen eines Infoabends am 26. November 2019 im Wohn- und Pflegeheim Lienz.” Foto: Martin Lugger

 

Manchmal sei nur das Dasein in Stille, ein anderes Mal ein Gespräch, das Vorlesen eines Buches oder gemeinsames Beten erwünscht. „Bei unserer Arbeit geht es nicht darum, dem Leben mehr Tage,  sondern den Tagen mehr Leben zu geben.“ Die Frage, ob es denn nicht oft schwierig sei, Sterbende nicht zu bemitleiden, beantwortet die Leiterin des Osttiroler Regionalbüros so: „Es ist eminent wichtig, dass die von uns betreuten Menschen in ihrer jeweils unterschiedlichen Situation ihre Würde bewahren können. Unsere HospizbegleiterInnen sind zur Stelle, wenn jemand über den Tod sprechen will und haben ein offenes Ohr und Zeit für sie/ihn. Sie wollen ermuntern und unterstützen, die  Angehörigen entlasten, aber keine Grabesstimmung verbreiten. Das Leben verliert nicht seinen Sinn im Bewusstsein, in naher Zukunft sterben zu müssen. Ganz im Gegenteil, es gewinnt dadurch nur noch mehr an Bedeutung und Wichtigkeit.“ Überhaupt sei es, wie sie betont, ein Ziel der Hospizbewegung, das Thema Sterben und Tod wieder in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.

„Der Tabubruch im Umgang mit ,Thanatos (altgriechisch für Tod) ist noch immer nicht vollzogen. Der Gedanke an die eigene Endlichkeit lässt viele erschaudern und schnell das Thema wechseln. Wir setzen uns für ein Umdenken und für das Annehmen des Todes als einen wichtigen Teil des Lebens ein!“ Aus ihrem beruflichen Alltag hat Reinhilde Tabernig viel für ihr eigenes Leben gewinnen können. „Ich habe die Entscheidung, diese Arbeit zu übernehmen, nie bereut. Es ist eine Aufgabe, die viel fordert, aber auch unglaublich viel gibt.“ Die ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied der Hospizbewegung kann sie Interessierten sprichwörtlich nur ans Herz legen. „Aktuell braucht unser Hospizteam Verstärkung, da auch alle Wohn- und Pflegeheime in Osttirol ihre Türen für die Hospizbegleitungen geöffnet haben. Wir suchen im Raum Osttirol 16 Frauen und Männer, die sich zu diesem speziellen Ehrenamt berufen fühlen. Für sie wird 2020 ein eigener Hospizbegleiter-Ausbildungskurs in Osttirol angeboten. Informationen dazu gibt es im Rahmen eines Infoabends am 26. November 2019 im Wohn- und Pflegeheim Lienz (Beginn: 18.30 Uhr) oder bei mir im Hospiz-Regionalbüro in Lienz (Tel. 0676/88188-85).“

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: AdobeStock/georgerudy, Martin Lugger

01. November 2019 um