Die „Bichlböllerer“ aus Gaimberg beleben altes Brauchtum wieder neu

Der Verein „Bichlböllerer“ gestaltet hohe kirchliche Feiertage mit seinen Böllerschüssen besonders festlich, trägt aber auch sonst zum Dorf- und Kulturleben in Gaimberg bei.

Das „Böllern“ hat im Alpenraum eine lange Tradition. Zu Fronleichnam und anderen hohen Kirchtagen wird bis heute auch in Osttiroler Gemeinden „geböllert“. Böllerschüsse sind zudem bei Hochzeiten und Schützenfesten zu hören oder beim Empfang von hohen Gästen als Zeichen der Ehrerbietung. In Gaimberg haben die „Bichlböllerer“ den alten Brauch im Jahre 2009 wiederbelebt. „Bei einem tragischen Unfall im Jahr 1968 verlor ein Gaimberger beim Böller sein Augenlicht, was dazu führte, dass im Dorf nicht mehr geschossen wurde. Vor zwei Jahren gründeten Raimund Kollnig und ich einen Verein“, erzählt Konrad Klaunzer, der Obmann der „Bichlböllerer“. Von Beruf Tischlermeister, hat der Gaimberger, wie er erzählt, selbst die Böllerkanone gebaut. „Die Lafette und das Rohr sind aus Holz, den Verschluss aus Metall hat der Dölsacher Schlossermeister Edi Moser beigesteuert. Wir schießen mit fertigen Böllerpatronen, die im Handel erhältlich sind.“

 

 

Geböllert wird in Gaimberg zu Terminen wie Fronleichnam, zum Herz-Jesu-Fest und im Rahmen des Gaimberger Kirchtages, also zum Fest des Hl. Bartholomäus. „Wir schießen die Böller während der Prozessionen, am jeweiligen Feiertag um 6.00 Uhr bzw. am Vorabend um 19.00 Uhr ab“, informiert der Obmann, der sich gemeinsam mit den Vereinskollegen darüber freut, dass das Brauchtum in der Bevölkerung gut ankommt. Besonderes Augenmerk wird auf die Sicherheit gelegt, was inkludiert, dass man es nur an behördlich genehmigten Plätzen krachen lässt.

 

 

Anita Gomig ist im Vorjahr zu den „Bichlböllerern“ gestoßen und hat die Funktion der Schriftführerin übernommen. Sie verweist darauf, dass es dem Verein beim Böllern darum gehe, alte Traditionen zu erhalten. „Wir wollen darüber hinaus durch weitere Aktivitäten zum Dorf- und Gemeinschaftsleben beitragen. Im Rahmen des Katholischen Familienverbandes haben wir z.B. Maipfeiferln geschnitzt. Weitere Aktivitäten sind in Planung.“

 

 

Viel Zeit und Energie haben die „Bichlböllerer“ in die Sanierung der so genannten „Wolfsgrube“ investiert. Laut Überlieferung wurde in dieser Grube im „Kollnig Wald“ um 1750 der letzte Wolf gefangen. Zuletzt war der Bereich mit Steinen, Erde und Ästen gefüllt und die Mauer beschädigt bzw. teilweise eingestürzt. „Wir haben die etwa drei Meter tiefe Grube ausgeräumt, einen Teil der Mauer erneuert und die sanierte Wolfsgrube mit einem geschmiedeten Gitter gesichert. Auch eine Informationstafel wurde angebracht“, schildert Konrad Klaunzer das Bemühen des Vereines um alte bauliche Strukturen im Dorf.

 

 

In Zukunft möchte der Obmann der „Bichlböllerer“, selbst begeisterter Sänger, auch monatliche Singabende organisieren, um altes Liedgut nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Das ist aber nur eine von mehreren Ideen, mit denen wir in Gaimberg kulturelle Akzente setzen möchten. Für Anregungen und natürlich Mithilfe aus der Bevölkerung sind wir sehr dankbar!“

 

 

 

Über das Böllern
informiert Karl C. Berger, ein gebürtiger Osttiroler, Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums

An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit entstanden zahlreiche neue Bräuche – insbesondere jene, bei denen Lärm eine große Rolle spielt. Auch das Böllern an bestimmten Festtagen dürfte damals üblich geworden sein – wohl auch deshalb, weil das Schwarzpulver, seit dem 14. Jahrhundert als Waffe und Explosionsstoff eingesetzt, verbreitet war. Tatsächlich dürfte das militärische Salutschießen Vorbild für das religiöse und „zivile“ Böllern gewesen sein. Wichtigster Böller-Termin war das Fronleichnamsfest, welches seit den Beschlüssen des Konzils von Trient (1545–1563) zu einer gegenreformatorischen Demonstration avancierte. Der Lärm wurde so zum weithin hörbaren Zeichen des katholischen Glaubens. Bald böllerte man fleißig auch an anderen kirchlichen Feiertagen – zu Ostern und Weihnachten, beim Kirchtag, am Hohen Frauentag sowie seit dem späten 17. Jahrhundert auch zum Herz-Jesu-Fest. Weitere Anlässe für den „Lärmbrauch“ waren Priesterweihen, Hochzeiten und andere Feste.

Abseits dieser Feierlichkeiten wurde das Böllern jedoch auch für die Kommunikation eingesetzt. Parallel zum Entzünden von „Kreydefeuern“ sollte lautes Böllern („Kreydeschüsse“) bei Kriegsgefahr die Landesverteidigung mobilisieren. Manch exponiert und nahe eines Wildbaches gelegenem Hof wurde die Aufgabe übertragen, die im Tal lebenden Menschen durch Böllerschüsse vor Gefahren, beispielsweise vor einer Mure, zu warnen. Das „Wetterschießen“ sollte Unwetter vertreiben – durchaus auch durch die religiös-magische Kraft, die dem Knall zugeschrieben wurde. Schließlich wurde hierfür das Schwarzpulver von einem Geistlichen geweiht. Für die aufgeklärten Herrscher des späten 18. Jahrhunderts war dies alles Humbug, Geldverschwendung und auch gefährlich (Unfälle gab es immer wieder), weshalb man das Böllern verbot. Je nach politischer Zugehörigkeit bzw. Eifer der zuständigen Behörden wurde dieses Verbot intensiv überwacht oder nicht. In manchen Orten wurden die Böller gar behördlich konfisziert. An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war das Böllern mal verboten, mal erlaubt und wurde schließlich neuerlich zu einer katholischen Glaubensdemonstration, als man die „Glaubenseinheit“ Tirols bedroht sah. Da das Böllern zu Beginn des 20. Jahrhunderts oftmals von den Schützenkompanien organisiert wurde, erhielt es auch eine patriotische Note. Deshalb wurde es während des Faschismus in Südtirol strikt verboten. Im Knall der Böller schwingt heute also eine ebenso lange, wie abwechslungsreiche Kulturgeschichte mit!

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Brunner Images, Tiroler Landesmuseen/Lackner

17. Juni 2018 um