Abfaltersbach: Vom Erfindergeist am Trogerhof

Jede freie Minute nützte Josef Ortner IV. (1858 – 1938) dazu, um an Gerätschaften und Maschinen zu tüfteln. Vom technischen Genie seines Großvaters erzählte uns der heutige Trogerbauer.

Der Trogerhof in Abfaltern liegt auf 1.290 Metern Seehöhe und ist damit der höchstgelegene Bauernhof in der Pustertaler Gemeinde Abfaltersbach. Den land- und forstwirtschaftlichen Biobetrieb mit Milchkühen, Kalbinnen, Schafen und Schweinen hat Josef Ortner im Jahr 1984 von seinem Vater Johann übernommen. Auch seine Frau Elisabeth, Sohn Andreas (17) und Tochter Magdalena (15) helfen hier heute fleißig mit, damit der Biobetrieb im Vollerwerb geführt werden kann.

 

Josef Ortner V. mit seiner Frau Elisabeth und Sohn Andreas (nicht im Bild: Tochter Magdalena)

 

Das Trogergut befindet sich seit dem Jahr 1725 im Besitz der Familie Ortner, 1933 wurde der Ehrentitel „Tiroler Erbhof“ verliehen. „Mir geht es vor allem auch darum, dass ich den Hof möglichst autark bewirtschaften kann. Auf unserer Schafweide habe ich eine Photovoltaik-Anlage mit Speicher installiert. Durch ein Verrohrungssystem mit Eigendruck kann ich das Ausbringen von Mist und Gülle effizienter gestalten. Und die Heutrocknung erfolgt mittels Warmbelüftung, wobei die heiße Luft unter den Dachziegeln abgesaugt wird“, nennt Landwirt Josef Ortner Beispiele für das nachhaltige Wirtschaften am Hof.

 

 

Ins Schwärmen kommt der 73-Jährige, als er uns die innovativen Anlagen zeigt, die sein Großvater entwickelt und gebaut hat: „Mein Großvater war ein technisches Genie und ein begnadeter Musiker. Er tüftelte in jeder freien Minute an Gerätschaften und Maschinen, um die Arbeit am Hof zu erleichtern – vor allem auch deswegen, weil zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer weniger Knechte und Mägde am Hof zur Verfügung standen. An Geld fehlte es damals sowieso.“

 

 

Mit „Not macht erfinderisch“ könnte man am besten umschreiben, was Josef Ortner IV. antrieb, ausgeklügelte technische Systeme zu entwickeln. „Der rund 300 Meter vom Hof entfernte Erlbach faszinierte ihn. Er träumte davon, dass die Wasserkraft nicht nur die Hausmühle antreibt, sondern auch für andere Arbeiten am Hof genutzt werden könnte. Die Kraftübertragung mittels Holzstangen von der Mühle zum Hof misslang – und so baute mein Großvater eine Transmission. Die Anlage bestand aus vier großen Schwungrädern aus Holz, wobei das größte einen Durchmesser von fast vier Metern hatte. Der Trogerhof wurde damals sogar von manchem als ,Radlerei‘ bezeichnet, weil die großen Räder vom Tal aus zu sehen waren.“

 

 

Mit der im Jahre 1903 fertiggestellten Transmission endeten alle früheren Antriebsmethoden. Die Doppelseilwinde war neben der Transmission wohl die bahnbrechendste Erfindung des Trogerbauern. 1905 konstruierte er eine Seilwinde, mit der er das „Erdeausführen“ vornahm. Ein Jahr später versuchte er, mit der Winde einen Pflug zu ziehen – und zwar nicht in der Fall-, sondern in der Schichtenlinie. „Obwohl mein Großvater mit der Doppelwinde schon alle Voraussetzungen für das Pflügen in der Schichtenlinie geschaffen hatte, ergaben sich dauernd Schwierigkeiten, weil sich immer wieder entweder die Holzkonstruktion oder der Draht als zu schwach erwiesen. Erst im Frühjahr 1920 war die Doppelseilwinde so weit entwickelt, dass sie einwandfrei funktionierte. Durch das Pflügen in der Schichtenlinie konnte die doppelte Leistung von zwei Pferden erreicht werden.“

 

 

Eine wesentliche Arbeitserleichterung stellte am Trogerhof zu jener Zeit auch das „Ernteeinführen“ mit einer Art „Bodenschlepp“ dar. Die Heuballen wurden auf einen zweirädrigen Handkarren gelassen, auf dem Boden bis zum Wirtschaftsgebäude gezogen und dort an drei langen Stangen, die an der Hauswand befestigt waren, zum Stadel hochgezogen. 1909 errichtete der Troger-Bauer den ersten von insgesamt fünf Feldaufzügen, der das Schleppen auf dem Boden ablöste.

 

 

„Mein Großvater entwickelte auch eine spezielle Dreschmaschine. Die letzte große Anlage, die er baute, war ein Venezianergatter zum Bretterschneiden.“ Alles, was sich drehte, wurde am Trogerhof lange Zeit mit Wasserkraft angetrieben. „Die Heuaufzüge hatten mein Vater und ich im Einsatz, bis wir den ersten Ladewagen kauften. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, dass ich in den 50er-Jahren als kleiner Bub mit der Wasserkraft von der Mühle aus gearbeitet habe“, berichtet Josef, dem es wichtig ist, die alten Anlagen, die sein Großvater gebaut hat, für die Nachwelt zu erhalten.

 

Josef Ortner IV. entwickelte auch eine „Alarmanlage“, um Schafdiebe abzuschrecken.

 

Der Abfaltersbacher erzählt auch davon, dass sein Großvater ein begnadeter Musiker war. „Er hat virtuos Geige gespielt und sich ein Instrument sogar selbst gebaut. Vor allem war er aber auch ein sehr aufgeschlossener Mensch und stets bereit, Neues dazu zu lernen.“ Um dies zu verdeutlichen, zitiert Josef Ortner V. zum Abschluss unseres Besuches am Trogerhof einen Spruch, der von seinem Großvater überliefert ist: „So dummen Knecht hab‘ ich keinen gehabt, von dem ich nicht etwas gelernt hätte!“

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

20. Oktober 2023 um