Poesie in Bronze gegossen: Leonard Lorenz zeigt seine neuesten Werke

In der Dorfstraße 28 in Tristach findet heute Abend ab 18.30 Uhr die Eröffnung einer außergewöhnlichen Kunstschau statt. Die Arbeiten von Leonard Lorenz sind noch bis 10.8. zu sehen.

Mitten in der kleinen Osttiroler Gemeinde Tristach steht das Elternhaus eines Kunstschaffenden, dessen Skulpturen und Gemälde schon seit vielen Jahren immer wieder auf internationalen Kunstausstellungen in Europa und den USA gezeigt werden. Leonard Lorenz, so der Künstlername des Bildhauers und Malers, wurde in dem Gebäudeensemble in Tristach auch geboren – als zweiter Sohn der neunköpfigen Bauernfamilie Wendlinger. Heute lebt und arbeitet der mittlerweile 72-Jährige, der vor 50 Jahren erstmals in der städtischen Galerie in Lienz ausstellte, gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn in Bayern, in Neufahrn im Kreis München, wo sich auch sein Atelier „Artforum“ befindet.

Nach Osttirol kehrt Leonard Lorenz immer wieder gerne und regelmäßig zurück. Auch seine Frau, die Violinistin Andrea Schumacher, Mitglied des Münchner Kammerorchesters, fühlt sich hier, wie er uns bei seinem Besuch erzählt, sehr wohl. Bereits vor 30 Jahren hat Lorenz in Tristach ein kleines Atelier eröffnet, in dem er immer wieder eine Auswahl seiner Werke präsentiert.

 

Leonard Lorenz im Atelier in Tristach. Hier und in der direkt angrenzenden Galerie zeigt der Künstler noch bis Montag eine Auswahl seiner Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen. Im Hintergrund zu sehen: die „Netzwerkerin” (Öl auf Leinwand, 2020)

 

Dieses Bronzeporträt schuf Lorenz bereits 1976. Heute ziert es den Eingangsbereich zur neuen Gewölbegalerie – als eine ganz persönliche Erinnerung an seine Mutter.

 

2020 wurde dieses Atelier nun durch eine Gewölbegalerie in einem direkt anschließenden Gebäudeteil erweitert. „Die Umbauarbeiten haben sich über fünf Wochen hingezogen“, berichtet er und verweist darauf, dass das alte Gewölbe in seinen Ursprüngen auf das 16./17. Jahrhundert zurückgeht. Die dicken, weiß gekalkten Wände der Galerie harmonieren mit dem neu verlegten Holzboden und bilden den Rahmen für eindrucksvoll in Szene gesetzte Arbeiten aus den vergangenen zwei Jahren.

„Eigentlich waren viele dieser Skulpturen und Gemälde für eine Werkschau gedacht, die das Jubiläumsjahr `70 Jahre Bad Hersfelder Theaterfestspiele` hätte begleiten sollen“, informiert der Bildhauer und Maler. Nachdem die Veranstaltungsreihe coronabedingt abgesagt und vorläufig auf 2021 verschoben werden musste, lässt Leonard Lorenz nun Kunstinteressierte in seiner neuen (Artforum Lorenz/Bayern) und in seiner alten Heimat (Atelier/Galerie Lorenz in Tristach) in den Genuss seiner Arbeiten kommen. Die Ideen für die neuesten Skulpturen basieren auf drei jener Theaterstücke, die in Bad Hersfeld im Sommer 2020 zur Aufführung hätten kommen sollen. Neben Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ und die „Italienische Nacht“ von Ödön von Horvath setzte sich Lorenz intensiv auch mit dem Roman „Der Club der toten Dichter“ von Nancy H. Kleinbaum auseinander, der – verfilmt mit Robin Williams in einer Hauptrolle – 1990 im Kino zu sehen war.

„Dynamik der Begrenzung“ – so lautet der Titel einer Bronzeskulptur, die der Künstler in der neuen Gewölbegalerie in Tristach zeigt und die an den freigeistigen, aber keinesfalls unfehlbaren Lehrer John Keating und an seine durch diesen zu einer kreativen Brüderschaft im Geiste von William Shakespeare & Co findenden jungen Studenten denken lässt. „Begrenzung und Öffnung stehen zueinander in einer dynamischen Wechselwirkung. Beides ist notwendig, damit kreative Potenzierung stattfinden kann“, meint der Künstler selbst dazu und lässt uns an seinen philosophischen Gedanken auch bei der Betrachtung des Kunstwerkes „Ausrichtung“ Teil haben. Die Bronze, die im Atelier steht, erläutert er mit „alles ist im Fluss“ und verweist darauf, dass „… ein Fluss nur dann fließen kann, wenn er ein Ufer, also eine Begrenzung, hat!“

 

Der Gebäudeteil mit Gewölbe, in dem heute die neue Galerie Raum findet, stammt aus dem 16./17. Jahrhundert.

 

Lorenz` Werke regen die Phantasie und viele Sinne an. In der Betrachtung seiner manchmal rätselhaften, aber gleichzeitig auch sehr empfindsamen Kunstwerke (Beispiel „Der weise Mann“) kommt nie Langeweile auf. Bei jedem Blick kann man Neues entdecken und zu weiteren Interpretationen gelangen. Überzeugend und beeindruckend zugleich ist auch die Bandbreite seiner Arbeiten. Die Skulpturen in Bronze und Holz sind, ebenso wie seine farbenprächtigen Ölbilder (u.a. die „Netzwerkerin“), Ausdruck einer großen Leidenschaft und belegen die ungebrochene Neugier und das Bestreben des Künstlers, sich stets weiterzuentwickeln – und dabei aber immer authentisch zu bleiben.

Wie sehr ihm dies gelingt, davon kann man sich in den nächsten Tagen beim Besuch der Ausstellung in der Dorfstraße 28 in Tristach selbst überzeugen. Die Vernissage im Atelier und in der Gewölbegalerie Lorenz findet heute, 7.8.2020, um 18.30 Uhr statt. Gelegenheit zum Ausstellungsbesuch bietet sich außerdem auch morgen, Samstag, 8.8., am Sonntag, 9.8., und am Montag, 10.8., jeweils von 14.00 bis 19.00 Uhr.

 

Die Skulptur mit Stierkopf entstand aus der Beschäftigung des Künstlers mit Ödön von Horvaths „Italienischer Nacht“.

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Martin Lugger

07. August 2020 um