Dölsach: Gertraud Patterer präsentierte ihr neuestes Werk

„Grüner Wind erzählte mir Geschichten“ – so lautet der Titel, unter dem die Osttiroler Dichterin vor Kurzem ihr 26. Buch veröffentlicht hat. Am 10.11. stellte sie es im Tirolerhof in Dölsach vor.

In dem nicht sehr umfangreichen, jedoch enorm textreichen Buch spannt die Osttiroler Dichterin in vier Abschnitten einen Jahresbogen vom „Jänner“ über den Frühling („Lenz“), vom „Sommermorgen“ bis hin zum „Öktouba“ (Oktober) und schließlich zur „Schneenacht“ bzw. der „Stillen Nacht“, sprich „Weihnachten“. Bei der Wahl des Buchtitels „Grüner Wind erzählte mir Geschichten“ hat sich Gertraud, wie sie anmerkt, an ihre Kindheit erinnert. „Vor meinem Elternhaus in Gödnach stand früher ein großer Nussbaum. Als Kind bin ich oft am Fenster gesessen und habe beobachtet, wie der Wind durch die grünen Blätter fuhr. Dieses Bild hat sich in meinem Gedächtnis eingeprägt.“ Der Buchumschlag, der dieser Erinnerung nachspürt, stammt vom niederösterreichischen Künstler Adi Holzer. Ihn hat die Dölsacherin vor Jahren bei einer Lesung im Lienzer Stadtsaal kennengelernt und steht seitdem in gutem Kontakt mit ihm.

Für das Vorwort ihrer 26. Publikation konnte sie, die heuer mit dem Tiroler Volkskulturpreis 2019 ausgezeichnet wurde, wieder Univ.-Prof. Dr. Walter Methlagl gewinnen. Er nimmt darin auch auf den Jahresbogen der Texte Bezug und meint, dass dieser alles andere als in einer schlichten Linie gezogen sei. „Er formt sich aus einer enormen Vielzahl von Gedichten und Geschichten: Gedichten, die vielfach nur aus wenigen kurzzeiligen Strophen oder nur aus drei Worten, wenn nicht gar nur aus einem Wort bestehen; Geschichten, die kaum jemals, wie etwa ,Das gelbe Veilchen‘, eine halbe Druckseite überschreiten. Durch erläuternde Übersetzungen aus der Osttiroler Mundart, welche die Autorin beherrscht wie eine Virtuosin das Klavier, werden viele Gedichte und Erzählungen zu kommentierten und oftmals ,zweisprachigen‘ Texten erweitert.“ Diese wechselhafte Abfolge von zumeist kurzen literarischen Elementen sei, so der frühere Leiter des Brenner-Archives mit Sitz in Innsbruck weiter, maßgeblich von Pausen bestimmt und damit oft auch von Stille. „Diese ganz und gar nicht tote Stille ist eine sprachlich lebendige, lebendig sprechende, die die Vielzahl dieser oft sehr verschieden artikulierten Texte zu einer ,Welt der Worte‘, zu einer Welt voll von Farben und Bildern, Klängen, Gerüchen, Gesten verbindet.“

 

 

Das Buch Gertraud Patterers vermittelt eine bewegte und bewegende Welt. Das Gedicht „Nussbaum“ bringt dies, um nur ein Beispiel zu nennen, sehr gut zum Ausdruck. In dieser bildhaften Art gehen zahlreiche Gedichte, aber auch Prosatexte auf eigene Erlebnisse der Autorin zurück, sehr oft auf ihre Kindheits- und Jugend-Erfahrungen. Dies gilt etwa auch für die erste Kurzerzählung „Da Hobagoaßrüef“ (Ruf des Vogels „Habergeiß“), in der das Kind bei einem Gang mit der Mutter durch eine „wie Diamanten funkelnde Gegend“, das „Schneiderwaldele“, einen Wald in Gertraud Patterers Heimatort Dölsach, „die Hobagoaß immer wieder mit ihrem ewigen Frühlingslied Hahahaha“ hört.

So wie in dieser Erzählung geschildert, erscheint im Buch die Welt der Natur durchgehend personifiziert. Univ.-Prof. Dr. Methlagl fasst dies so zusammen: „Dies geschieht in einer Sprache, die, wie ein stets waches Auge durch die Gegend schweift und Einzelnes fixiert oder wie eine tastende Hand, die alles Wahrgenommene zum Greifen nahe bringt. Pflanzen, Tiere, Steine, auch Wind, Regen, Eis und Schnee verbleiben im ganzen Verlauf dieser künstlerischen Sprachgestaltung verbale Partner der schreibenden Autorin und damit auch der Leserinnen und Leser.“

Im vierten und letzten Abschnitt der vielgestaltigen Textfolge in Gertraud Patterers Buch neigt sich „der Bogen“ seinem Ende zu. Es werden – bezogen auf Naturereignisse und Menschenschicksale – Daseinsgrenzen sichtbar und spürbar. Angedeutet ist dies im Titel und am Beginn des Abschnittes durch ein winterliches Bewegungsbild: „Da Hauhne fiaht die Hein iban Schneewejg“. Es folgen die Familien-Erzählung „Schneenacht“, danach ein Mundart-Gedicht über eine Begegnung mit dem Tod, und schließlich in dichter Reihenfolge ironische und zeitkritische Kurztexte wie das Mundart-Gedicht über das im Tourismus versinkende „Tiroul“. Allmählich erweitert sich durch die zunehmende Veränderung der Texte der Abstand zwischen diesen. Die Pausen vergrößern sich und führen mehr und mehr zur Stille. Mehrfach erklingt in den abschließenden Erzählungen die „Stille Nacht“. Am Schluss findet sich das kürzeste Gedicht des Buches: „Weihnachten.“

 

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Brunner Images

11. November 2019 um