Matrei i.O./St. Nikolaus: Einziger römischer Grabbau Osttirols freigelegt

Der Grabbau stammt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus und belegt die Nutzung des Platzes rund um die St. Nikolauskirche über einen Zeitraum von mehr als 1.800 Jahren.

In den letzten zwei Wochen haben fünf ArchäologInnen des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck unter der Leitung von Assoz.-Prof. Mag. Dr. Florian Müller im Bereich der St. Nikolauskirche in Matrei in Osttirol Grabungsarbeiten durchgeführt. Freitagvormittag luden sie zu einem Pressegespräch und erklärten die Funde bzw. die Erkenntnisse daraus. „Bereits Mitte der 1990er-Jahre konnte unser Institut eine Vorgängerkirche aus dem 9./10. Jahrhundert n. Chr. sowie ein dazugehöriges Gräberfeld freilegen. Auch ergaben sich Hinweise auf eine Nutzung des Platzes schon in römischer Zeit”, erklärte Müller.

 

Die Arbeiten fanden in den letzten zehn Tagen im Zuge einer Lehrgrabung der Universität Innsbruck statt. Junge Studierende konnten dabei auch archäologische Grabungspraxis sammeln.

 

Bei der St. Nikolauskirche aus dem 12. Jahrhundert n. Chr. mit ihrer für den Alpenraum einzigartigen Doppelchoranlage und der reichen romanischen Freskenausstattung handelt es sich um den ältesten erhaltenen Kirchenbau Osttirols. „2007/08 konnte im Zuge weiterer Grabungen ein dritter Kirchenbau entdeckt werden. Seitdem geht man von zwei Phasen in Sachen Vorgängerkirchen zum heutigen Bau, der aus dem 12. Jahrhundert stammt, aus”, so Müller.

 

Der römische Grabbau (im Bild oben) ist etwa 3,5 bis 4 Meter lang.

 

Nach über elf Jahren wurden die Arbeiten am 25. März 2019 wieder aufgenommen. „Bei den Grabungen in den letzten zehn Tagen ging es darum, die fehlenden Mauerstücke des Langhauses der beiden Kirchen auszugraben. Die vermuteten Mauern sowie die Reste des noch original erhaltenen Estrichfußbodens der Vorgängerkirchen fanden wir bereits wenige Zentimeter unterhalb der schmalen an der Kirche vorbeiführenden Schotterstraße. Außerdem kamen Mauern zum Vorschein, die von einem rechteckigen römischen Grabbau stammen. Es handelt sich dabei um den bislang einzigen bekannten römischen Grabbau in Osttirol. Bereits bei früheren Grabungen konnte eine Urnenbestattung aus dem 2. Jh. n. Chr. freigelegt werden”, berichtete der Archäologe.

 

Ass.-Prof. Mag. Dr. Florian Müller: „Den über 1.800 Jahre andauernden Zeitraum der Nutzung des Platzes der St. Nikolauskirche seit der römischen Epoche belegen neben zahlreichen Keramik- und Glasscherben, Eisennägeln, einer bronzenen Gürtelschnalle und vier Dutzend Münzen aus dem Mittelalter auch Fragmente römischer Amphoren sowie Reste einer bronzenen Gewandnadel.”

 

Interessant seien aber insbesondere auch die Funde im Innenraum der Vorgängerkirchen. „Sie helfen uns bei der Datierung von Phase 2. Außerdem können durch die Mauerfunde die Grundrisse der Vorgängerkirchen zu 99% geklärt werden. Es dürfte wohl auch kein Zufall sein, dass die Fundamente der beiden frühmittelalterlichen Kirchen das Areal des römischen Begräbnisplatzes überdeckten”, so der Archäologe.

 

Restaurierungs-Koordinator Franz Rainer: „Hauptteil des Projektes ist die Freskenrestaurierung, die ca. 140.000 Euro kosten wird. Das gesamte Projekt soll Mitte 2020 abgeschlossen sein.”

 

Nach der Freilegung werden die alten Mauern nun wieder zugeschüttet und damit bestmöglich konserviert. Die Grabungen sind nur ein Teil eines größeren Restaurierungsprojektes in St. Nikolaus. „Hauptteil ist die weitere Freskenrestaurierung. Die Präsentation und Aufarbeitung des Freskenbruches, die Gestaltung der Kirchenumgebung und die archäologische Aufarbeitung sind weitere Teile des Projektes. Insgesamt kosten die Arbeiten rund 220.000 Euro. Gefördert werden sie  vom Denkmalamt, von der Kulturabteilung des Landes Tirol, der Landesgedächtnisstiftung, der Marktgemeinde und der Pfarrgemeinde Matrei”, erklärte Restaurierungs-Koordinator Franz Rainer.

 

Sehr interessiert an den Ausgrabungen im Bereich der St. Nikolauskirche zeigten sich auch Alexander Brugger (links) und Tobias Trost. Die beiden Mitglieder des Vereins Medaria haben sich um die Restaurierung der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten große Verdienste erworben. Tobias Trost koordinierte lange Zeit die Restaurierungsarbeiten.

 

Der Osttiroler Raum war im 6. Jh. n. Chr. bereits christianisiert. „Ausgehend vom spätantiken Bischofssitz Aguntum erfolgte die christliche Organisation, die durch archäologisch erschlossene Kirchenbauten in Lavant-Kirchbichl, St. Andrä, Patriasdorf und Oberlienz bezeugt ist, während für die nördlichen Seitentäler in dieser Hinsicht bislang noch kein Nachweis gelang”, erklärte Florian Müller abschließend.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol heute/Mühlburger

05. April 2019 um