Gletscher: Viltragenkees in Osttirol zog sich am stärksten zurück

Laut aktuellem Bericht des Gletschermessdienstes des Alpenvereins betrug der mittlere Rückzugsbetrag der 76 vor Ort vermessenen Gletscher im Vorjahr 17,2 Meter.

Das „ewige Eis” schmilzt – seit 128 Jahren bilanziert die Veränderungen der Gletscherbericht des Österreichischen Alpenverein. 24 „Gletschermesser” unter der Leitung von Prof. Gerhard Karl Lieb und Dr. Andreas Kellerer-Pirklhuber vom Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz zeichnen für die Untersuchungen im aktuellen Gletscherhaushaltsjahr 2017/18 verantwortlich.

Auch heuer dokumentierten die Fachleute eine Fortführung des seit den 1990er-Jahren andauernden Gletscherrückganges. Konkrete Messungen von 76 Gletschern liegen vor, von 17 weiteren konnte aus Fotovergleichen oder Messungen über eine längere Periode die Tendenz eindeutig festgestellt werden. Von diesen 93 Gletschern waren 89 im Rückzug – vier verhielten sich stationär, das heißt ihre Längenänderung blieb innerhalb der Spanne von -1 bis +1 Meter.

 

Gletschermesser bei der Arbeit auf der Pasterze in der Glocknergruppe

 

Am höchsten war der Längenverlust mit 128 Metern beim Viltragenkees in der Venedigergruppe, gefolgt vom Alpeinerferner in den Stubaier Alpen (-86 Meter), dem Schlatenkees in der Venedigergruppe (-67 Meter) und dem Untersulzbachkees in der Venedigergruppe (-53 Meter). Nicht messbar war die Längenveränderung am Pfaffenferner in den Stubaier Alpen – bei diesem Gletscher gehen die Fachleute von einem Wert aus, der wahrscheinlich noch höher ist als beim Viltragenkees in Osttirol.

„Die überdurchschnittlich warme Witterung mit lang anhaltenden Schönwetterperioden bewirkte, dass tief liegende Gletscherzungen bereits im Mai auszuapern begannen. Der Gletscherschwund erscheint gegenüber dem Vorjahr jedoch gedämpft, da die im niederschlagsreichen Winter aufgebauten Schneereserven bis weit in den extrem warmen Sommer hinein große Teile der Gletscher vor der Abschmelzung schützen”, erklären die Experten. Betrug der mittlere Rückzugsbetrag des Vorjahres auf Basis von 75 Gletschern noch -25,2 Meter, dokumentiert der aktuelle Bericht einen deutlich geringeren Rückzugsbetrag von 17,2 Metern auf Basis der 76 vor Ort vermessenen Gletscher.

 

Das Umbalkees in der Venedigergruppe vom Ahrner Kopf in Blickrichtung Nordost. Das am 18. Juli 2018 aufgenommene Foto zeigt die um diese Jahreszeit noch beachtliche Schneebedeckung der Gletscher als Folge des schneereichen Winters.

 

Wie schon im Vorjahr blieb das Simonykees in der Venedigergruppe stationär, weiters das Sonnblickkees (Granatspitzgruppe) sowie die Gletscher am Roten Knopf (Schobergruppe) und im Eiskar (Karnische Alpen). „Dieses Verhalten ist jedoch bei keinem der vier Gletscher ein Hinweis auf eine Trendwende. Unsere Untersuchungen bestätigen einen anhaltenden Gletscherschwund, der im Haushaltsjahr 2017/18 erneut massiv ausfiel. Der Rückzug der Gletscher erscheint nur in Bezug zu den extremen Werten im letzten Berichtsjahr etwas gedämpft”, stellte Gerhard Karl Lieb klar.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: G. K. Lieb, A. Kellerer-Pirklhuber

15. April 2019 um