Alpenvereins-Gletscherbericht: Schlatenkees in Osttirol zog sich um 50 Meter zurück

15 Meter Länge haben Österreichs Gletscher im Schnitt in nur einem Jahr eingebüßt. Die größte Längenveränderung (minus 104 m) wurde am Hornkees in den Zillertaler Alpen gemessen.

Trotz des verhältnismäßig schneereichen und damit gletscherfreundlichen Winters setzte der heiße Sommer den Eismassen im Beobachtungszeitraum 2019/2020 erneut stark zu. Das zeigt der vor Kurzem veröffentlichte Gletscherbericht des Alpenverein. 92 Gletscher hat das Gletschermessteam im vergangenen Sommer österreichweit vermessen. 85 davon haben sich weiter zurückgezogen, nur sieben sind mit einer Längenänderung von weniger als einem Meter stationär geblieben. Mit einem durchschnittlichen Rückgang von 15 Metern hält sich der Gletscherschwund auch in der aktuellen Statistik auf einem langfristig hohen Niveau.

Gletscher weiter auf Rückzug

Obwohl die Winterniederschläge 2019/20 in den meisten Gebieten die langjährigen Mittel übertrafen und große Teile der Gletscher bis Juli von Schnee bedeckt waren, war im August und September mit bis zu +2° Celsius über der Durchschnittstemperatur eine starke Abschmelzung zu verzeichnen. „Das vergangene Beobachtungsjahr ist ein weiteres in einer Periode drastischen Gletscherschwundes, die wohl noch lange andauern wird“, stellen die Leiter des Alpenvereins-Gletschermessdienstes, Gerhard Lieb und Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geographie und Raumforschung an der Universität Graz, fest.

 

Das Hornkees in den Zillertalertaler Alpen wich 2019/2020 am stärksten von allen österreichischen Gletschern zurück. Foto: ÖAV Gletschermessdienst/R. Friedrich

 

Die größte Längenänderung wurde 2020 am Hornkees in den Zillertaler Alpen (Tirol) gemessen. Dieser Gletscher hat sich in nur einem Jahr um 104 Meter verkürzt. Vier weitere Gletscher zogen sich um mindestens 50 Meter zurück: Der Alpeinerferner (Stubaier Alpen) mit 67,2 Metern, die Pasterze (Glocknergruppe) mit 52,5 Metern, der Gepatschferner (Ötztaler Alpen) mit 51,5 Metern und das Schlatenkees (Venedigergruppe) mit 50 Metern.

 

Die Pasterze am Großglockner ist Österreichs größter Gletscher. Er büßte zuletzt 52,5 Meter an Länge ein. Foto: ÖAV Gletschermessdienst/G.K. Lieb

 

Pasterze in einem Jahr um 52,5 Meter kürzer

Österreichs größter Gletscher, die Pasterze am Großglockner, hat zuletzt 52,5 Meter an Länge eingebüßt – erneut ein überdurchschnittlich hoher Wert. Ihre Gletscherzunge ist weiterhin flächig in Zerfall, da der Eisnachschub aus den höher gelegenen Gletscherteilen immer geringer wird. Die Pasterze ist einer der Gletscher, an dem auch regelmäßig die Dicke des Eises und die Gletscherbewegung gemessen wird. Im Vergleich zum Vorjahr ist die gesamte Gletscherzunge der Pasterze um durchschnittlich 6,1 Meter eingesunken – etwas mehr als in der Messperiode 2018/2019.

 

So präsentierte sich die Pasterze vor rund hundert Jahren. Foto: ÖAV Gletschermessdienst/Archiv G.K. Lieb

 

Alpenverein fordert Gletscherschutz ohne Wenn und Aber

„Dass der Rückgang der Gletscher eine Folge steigender Temperaturen ist, lässt sich nicht abstreiten. Diese Entwicklung ist auch kaum mehr aufzuhalten, dafür sind das System zu träge und die Naturräume zu sensibel. Unsere Gletscher machen diesen langsamen, aber stetigen Wandel auf traurige Weise begreifbar. Als stille Mahnmale der klimatischen Veränderungen werden sie in ein paar Jahrzehnten wohl nicht mehr wiederzuerkennen sein. Ein Grund mehr für den Alpenverein, als Naturschutzorganisation nicht nur auf den Gletscherschutz, sondern auch auf den Schutz der umliegenden hochalpinen Regionen zu pochen“, betont Ingrid Hayek, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins.

 

Das Innergschlöß in Matrei i.O. und das Schlatenkees – Osttirols größter Gletscher – vor etwa 100 Jahren. Foto: ÖAV Museum und Archiv/Rameis

 

10 stärkste Rückgänge – Längenverluste in Metern:

1. Hornkees (Zillertaler Alpen, Tirol) – 104,0
2. Alpeinerferner (Stubaier Alpen, Tirol) – 67,2
3. Pasterze (Glocknergruppe, Kärnten) – 52,5
4. Gepatschferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 51,5
5. Schlatenkees (Venedigergruppe, Tirol) – 50,0
6. Ochsentaler Gletscher (Silvrettagruppe, Vorarlberg) – 45,9
7. Untersulzbachkees (Venedigergruppe, Salzburg) – 44,0
8. Zettalunitzkees (Venedigergruppe, Tirol) – 35,0
9. Freiwandkees (Glocknergruppe, Kärnten) – 34,0
10. Hintereisferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 28,4

Der durchschnittliche Längenverlust der 81 sowohl 2019 als auch 2020 vermessenen Gletscher betrug minus 15 m und ist damit dem Wert des Vorjahres mit minus 14,3 m (berechnet für 84 Gletscher) sehr ähnlich.

Stärkste Rückgänge pro Gebirgsgruppe in Metern:

Zillertaler Alpen: Hornkees – 104,0
Stubaier Alpen: Alpeinerferner – 67,2
Glocknergruppe: Pasterze – 52,5
Ötztaler Alpen: Gepatschferner – 51,5
Venedigergruppe: Schlatenkees – 50,0
Silvrettagruppe: Ochsentaler Gletscher – 45,9
Goldberggruppe: Ö.Wurten-Schareck – 25,5
Dachstein: Gr. Gosaugletscher – 25,0
Ankogel-Hochalmspitzgruppe: Kälberspitzkees – 5,1
Schobergruppe: Gößnitzkees – 3,1
Granatspitzgruppe: Sonnblickkees – 1,5
Karnische Alpen: Eiskar-Gletscher – 0,3 (somit stationär)

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: ÖAV, Norbert Freudenthaler, Gletschermessdienst, Museum und Archiv

12. April 2021 um