Wolfgang Veider und sein Arbeitsplatz tief unten im Berg

Im Wolframbergwerk in Mittersill trägt Jakob Veider die Verantwortung für den reibungslosen Produktionsablauf unter Tage und für die Einteilung der 40 Bergleute im Schichtbetrieb.

Weit oberhalb der Felbertauernstraße, auf einer Seehöhe von 1.175 Metern, liegt der Eingang zum Bergwerk der Wolfram Bergbau und Hütten AG, die zu den weltweit führenden Anbietern hochwertiger Pulver auf Basis des Metalls Wolfram zählt. 1967 wurde hier, im Oberpinzgauer Felbertal, ein mächtiges Vorkommen des Wolframerzes Scheelit entdeckt. 1975 begann der Abbau über Tage, 1986 verlegte man diesen völlig unter die Erde. Im Untertagebau sind in den vergangenen mehr als vier Jahrzehnten über 75 Kilometer Tunnel entstanden, pro Jahr werden es um rund 2,5 Kilometer mehr.

 

 

Zu den Betriebsstätten im Berg gehören Kavernen mit Werkstätten, diverse Lager, eine riesige Brecheranlage, Büros und Aufenthaltsräume, Küchen- und Sanitärbereiche. Die Fahrt hinunter in den Berg – der aktuell tiefste Punkt liegt auf etwa 600 Metern Seehöhe – erfolgt im Mittersiller Bergwerk nicht, wie man meinen könnte, über Schachtaufzüge, sondern über eine, in einer Spirale nach unten führende Straße. „Wendel ist der Fachbegriff dafür“, erklärt uns Wolfgang Veider und führt uns in das betriebseigene Büro, von wo aus er die Arbeiten im Bergwerk koordiniert. Über Funk steht er laufend mit den unter Tag arbeitenden Bergleuten in Verbindung. Mehrmals pro Tag macht er sich auch selbst auf den Weg, um tief unten im Berg, überall dort, wo gearbeitet wird, nach dem Rechten zu sehen.

 

Der moderne Bergbau im Felbertal beeindruckt durch riesige Schächte, gewaltige Maschinen und höchsten technischen Standard.

 

„Früher musste das Scheeliterz noch händisch abgetragen werden, heute sprengen wir das Gestein“, lässt uns der erfahrene Obersteiger wissen. Gesprengt oder wie es in der Bergmannsprache heißt „geschossen“ wird jeden Tag, immer nach Schichtende, wenn alle das Bergwerk verlassen haben. Zwei Kumpels, wie man die Bergarbeiter umgangssprachlich nennt, lösen die Sprengungen in sicherer Entfernung aus. Um dies tun zu können, müssen vorher mit riesigen Maschinen, die unter Tage elektro-hydraulisch betrieben werden, bis zu 20 Meter lange Sprenglöcher in den Berg gebohrt und diese dann von der zuständigen Besetzermannschaft mit Sprengstoff befüllt werden. „Eine genaue Planung im Vorfeld ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Sprengungen sicher und effektiv erfolgen können“, betont der Mittersiller Bergmann und verweist auf die strengen Sicherheitsrichtlinien, die exakt eingehalten werden müssen.

 

Blick auf die riesige Brecheranlage tief unten im Berg. Kilometerlange Förderbänder bringen das Gestein von hier aus über einen Stollen zur Aufbereitungsanlage der Wolfram Bergbau und Hütten AG direkt neben der Felbertauernstraße.

 

„Am nächsten Morgen, wenn sich der Rauch der Sprengung längst verzogen hat, rücken die Kumpel wieder ein und beginnen mit dem Abtransport des Gesteins. Pro Jahr werden im Oberpinzgauer Bergwerk über 500.000 Tonnen Erz aus dem Berg gesprengt.“ Der Aufwand, um aus dem Scheeliterz den wertvollen Rohstoff Wolfram zu gewinnen, ist, wie der 58-Jährige festhält, enorm. „Noch im Berg wird das Gestein bearbeitet. Eine riesige, vollautomatisierte Brecheranlage zerkleinert die Felsbrocken bis auf eine durchschnittliche Korngröße von rund 60 Millimetern. Über ein Förderband wird das Erz dann durch den Berg zur Aufbereitungsanlage transportiert, die rund drei Kilometer talabwärts direkt an der Felbertauernstraße angesiedelt ist. Hier entsteht, als Ergebnis verschiedener hochkomplexer Prozesse, ein Scheelit-Konzentrat, die Basis für die Weiterverarbeitung des Pulvers in dem zum Unternehmen gehörenden Hüttenbetrieb im St. Martin im Sulmtal.“

 

Unter kurzwelligem UV-Licht zeigt das Scheeliterz eine blaue Floureszenz. Die Dichte des Minerals ist relativ hoch, daher hieß der Scheelit früher auch „Tungstein”, was soviel wie „Schwerstein” bedeutet.

 

Während dort, in der Steiermark, die weiteren Produktionsschritte hin zu dem weltweit sehr gefragten Wolframcarbid, Wolframmetall und Wolframoxid in Pulverform erfolgen, setzen die Bergleute am Mittersiller Bergwerksstandort ihre Arbeit unbeirrbar fort. „Eine Tonne Erz enthält knapp drei Kilogramm Wolfram“, berichtet Wolfgang Veider. „Der Rest des abgetragenen Gesteins wandert wieder zurück zu uns in den Berg, wo wir unsere Abbaustellen damit auffüllen. Dies dient der Stabilisierung des Berges, erfordert aber auch einen großen arbeitstechnischen Aufwand.“ Dass die Arbeit unter Tage keine einfache ist, steht angesichts der im Berg vorherrschenden, relativ hohen Temperaturen, der großen Luftfeuchtigkeit und des ohrenbetäubenden Maschinenlärms außer Frage. „Diese Bedingungen sind nicht jedermanns Sache. Man muss es mögen!“, meint Wolfgang dazu, um im gleichen Atemzug auf die Vorteile des Bergmann-Seins hinzuweisen. „Nur wenige Berufe sind von einer derart großen Kameradschaft und einem starken Zusammenhalt geprägt wie der unsere. Außerdem ist kein Tag wie der andere. Man wird immer wieder aufs Neue gefordert, Langeweile kommt hier sicherlich keine auf.“

 

 

Die Frage, wie gefährlich der Job ist, beantwortet er so: „Unsere Arbeit ist nicht so riskant, wie manche vielleicht glauben mögen. Bei uns herrschen strengste Sicherheitsvorkehrungen. Die Belüftung wird durch schräge Schächte, die so genannte ,Wetterführung‘, sichergestellt und für den Brandfall steht unsere betriebseigene Grubenwehr bereit.“ Zum Glück ist man im Wolframbergwerk im Felbertal seit einigen Jahren unfallfrei, vorher verzeichnete man einige kleinere Zwischenfälle wie Bänderrisse oder Rippenbrüche infolge von Stürzen über Steine. „Das letzte tödliche Unglück liegt schon mehr als 19 Jahre zurück. Damals geriet ein Bergmann unter die Räder eines ferngesteuerten Laders.“

 

 

Bevor wir uns von Wolfgang Veider verabschieden, wollen wir von ihm noch wissen, wie lange denn die Erzvorräte im Felbertal noch für den Abbau ausreichen. „Das kann niemand wirklich sagen, aber wir versuchen durch ständige Exploration immer ein Reservenpolster von mindestens acht bis 10 Jahren vor uns her zu schieben“, sagt er dazu. Er selbst wird jedoch nicht mehr so lange im Bergbau tätig sein. „Nächstes Jahr beende ich meine berufliche Laufbahn“, freut sich der Mittersiller auf den wohlverdienten Ruhestand. Diesen will der in seiner Freizeit begeisterte Westernreiter gemeinsam mit seiner Freundin und seinen Pferden in Niederösterreich genießen. Wir wünschen ihm dafür und für die Monate bis dahin alles Gute, oder wie man es in der Bergmannssprache sagt, „Glück auf“!

 

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Franz Reifmüller

20. September 2019 um