Von Bergführern, Wollkardatschen und einer alten Turmuhr

Auf eine spannende Zeitreise kann man sich in Kals begeben: Sepp Haidenberger führte uns durch das Heimatmuseum im alten Schulhaus, in dem er noch unterrichtet hat.

Wenn man das Kalser Heimatmuseum betritt, sticht einem sofort ein großes Uhrwerk mit Glocken ins Auge. Es handelt sich um die alte Turmuhr, ein ganz besonderes Museumsstück. „Die Turmuhr wurde im 18. Jahrhundert erbaut und hat bis ins Jahr 1968 den Tag in Zeiten des Arbeitens und des Innehaltens eingeteilt“, gibt uns Haidenberger Auskunft. Der ehemalige Schulleiter, der auch die 2014 erstmals präsentierte Kalser Chronik verfasst hat, weiß viel von der Geschichte der Glocknergemeinde und der Entstehung des Heimatmuseums zu erzählen. Die Anregung, ein Museum einzurichten, kam, wie er ausführt, von Gerhard Gimm, einem Urlaubsgast aus Hamburg, dem einst das bekannte Bild „Morgengebet am Großglockner“ auffiel. „Ing. Gimm reiste zunächst nach Heiligenblut und dann nach Kals, um die Namen der beiden Bergführer auf dem Bild und dessen Maler ausfindig zu machen. Seine Recherchen ergaben, dass es sich bei den Bergführern um Hans Unterweger vom Spöttlinghof und Karl Entstrasser vom Brunnerhof handelt. Das Bild schuf der Wiener Maler Otto Barth im Jahr 1911“, so der Kalser mit Blick auf ein Museumsexponat, eine Kopie des Originalbildes, das sich im Alpenvereinsmuseum in Innsbruck befindet.

 

Sepp Haidenberger mit dem alten Lehrbuch aus der Kaiserzeit

 

Im Jahre 1972 schlossen sich engagierte Kalser zu einem Museumsausschuss zusammen, Rupert Rainer wurde zum Obmann gewählt. „Rupert und seine Mitstreiter – besonders zu erwähnen sind Konrad Oberhauser, Lucknerhaus-Wirt Sebastian Oberlohr, Johann Payr, Tischlermeister Siegfried Groder und Sepp Oberhauser – begaben sich auf die Suche nach geeigneten Museumsstücken. Sie warben in der Bevölkerung um Verständnis und weckten das Interesse für das Museum. Im Jänner 1973 beschloss der Gemeinderat dann, zwei Klassenräume im alten Schulhaus in Ködnitz zur Verfügung zu stellen, um dort ein Heimatmuseum zu installieren.“ Im hinteren Klassenraum wurden eine alte „Rachkuchl“ mit „Godn“ (Speisekammer), eine Stube sowie verschiedene Abteilungen und Vitrinen für alte Arbeitsgeräte, Werkzeuge, Kleidung und heimische Handarbeiten eingerichtet. Jagdutensilien sind hier heute genauso zu besichtigen wie z.B. Exponate von Mineraliensammlern. Im zweiten Klassenraum nimmt eine große Wollkardatsche viel Raum ein. „Diese Kardatsche diente früher zur Aufbereitung der Schafwolle, die nicht unmittelbar zum Faden versponnen werden kann“, informiert der 77-Jährige über das alte Arbeitsgerät. Weiters finden sich in Raum zwei auch eine alte Kornputzmaschine, eine große historische Feuerwehrspritze sowie alte Spinnräder, ein Webstuhl, Kästen und Truhen.

Dass das Bergführer- und Hüttenwesen sowie die Geschichte von Alpinismus und Tourismus im Heimatmuseum der Glocknergemeinde natürlich nicht fehlen dürfen, erklärt sich von selbst. Wenig verwunderlich, ist ein Teil des Museums Johann Stüdl gewidmet. Der Prager Kaufmann hat 1868 mit der Stüdlhütte die älteste Schutzhütte der Ostalpen erbaut und ein Jahr später den Bergführerverein Kals gegründet. 1870 verlieh ihm die Gemeinde Kals die Ehrenbürgerschaft. Interessante Aspekte der weiteren touristischen Entwicklung beleuchtet Sepp Haidenberger mit dem Hinweis darauf, dass der Verkehrsverein Kals 1930 ins Leben gerufen wurde. Er zeigt auf alte Prospekte, die damals über Unterkunfts-, Wander- und Tourenmöglichkeiten informierten. „1962 wurde in Kals der erste Sessellift gebaut. Ab diesem Zeitpunkt gab es auch einen eigenen Winterprospekt.“

Zur kirchlichen Abteilung gehören neben Mess- und Gebetsbüchern auch ein Bet- und Bußschemel aus dem Peterskirchl. Das Ostergrab, das im Heimatmuseum Kals zu bewundern ist, stammt aus der Schliederle Kapelle im Ködnitztal. Die Weihnachtskrippe vom Zöttlbauer in Großdorf ist die wohl schönste und wertvollste aus Kalser Privatbesitz. Sie wird vis a vis vom Ostergrab ausgestellt. „Besonders interessant ist auch dieser alte Brautschlitten, auf dem die Braut am Weg zur Hochzeit saß – und zwar in Fahrtrichtung. Sie durfte nicht zurückschauen, sondern nur nach vorne, in die Zukunft“, beschreibt Sepp das auffällige Museumsstück.

 

 

Mit einem weiteren Bild, auf das uns der Museumsführer hinweist, wird der Heldentat Stefan Groders gedacht, der sich 1809 für seinen Halbbruder, Schützenhauptmann Rupert Groder, den Franzosen stellte und erschossen wurde. Erinnerungen an die Zeit Kaiser Franz Josephs weckt ein altes Lesebuch mit dem Kaiserlied „Gott erhalte, Gott beschütze …“, das im Kalser Heimatmuseum ebenso zu sehen ist wie eine Landkarte des Habsburgerreiches und ein Bild des Herrschers, der die Donaumonarchie 68 Jahre lang regierte.

„Kals war bis zur Erschließung durch eine Straße Mitte der 1920er-Jahre ein abgelegenes Bergdorf. Die Menschen waren größtenteils auf sich allein gestellt und mussten sich selbst versorgen. Deshalb hatten auch das Handwerk und die Landwirtschaft einen so großen Stellenwert. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen mit den ersten Schutzhüttenbauten auch der Tourismus und das Bergführerwesen als Einnahmequellen hinzu. In unserem Museum soll die Geschichte unserer Heimatgemeinde erlebbar gemacht werden“, fasst Sepp Haidenberger abschließend den Sinn und Zweck des kleinen, aber feinen Heimatmuseums zusammen.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: EXPA/Groder

11. August 2019 um