Sillian feiert 550 Jahre Markterhebung: Ein Rückblick in Bildern

Bgm. Hermann Mitteregger und die Gemeinderäte Otto Trauner und Peter Leiter erzählten uns von den Feierlichkeiten und von markanten Ereignissen in der Geschichte Sillians.

Unter dem Titel „Sillian550“ feiert der Hauptort des Osttiroler Pustertales heuer die Erhebung zur Marktgemeinde im Jahre 1469. „Wir haben dazu ein eigenes Organisationskomitee ins Leben gerufen, das Otto Trauner leitet. Wichtig ist uns, dass wir das Programm auf eine breite Basis stellen – unter Mitwirkung weiter Teile der Bevölkerung, von Vereinen, Institutionen und insbesondere auch der Jugend”, sagt Bürgermeister Hermann Mitteregger.

 

Das OK-Team „Sillian550” v.l.n.r.: Helmut Krautgasser, Michaela Walder, Christian Schönegger, Otto Trauner, Hans Christian Kraler, Carolina Trauner, Reinhard Webhofer, Matthias Krautgasser. Foto: Gemeinde Sillian

 

Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten war die Uraufführung des Auftrags-Marsches „Sillian550“ im Rahmen des Konzerts des Jugendblasorchesters des Musikbezirkes Pustertal-Oberland am 16. Februar. „Vom 8. bis 29. Juni ist eine Jubiläumsausstellung im Kulturzentrum zu sehen, und am 29. Juni – dem Tag der Unterzeichnung der Markterhebungsurkunde 1469 – finden am Marktplatz ein Festkonzert und Festakt mit der Musikkapelle und der Schützenkompanie statt. Den Höhepunkt stellt das große Jubiläums-Marktfest vom 16. bis 18. August mit vier Bühnen und 25 internationalen Musik- und Folkloregruppen dar. Für den 17. August planen wir auch einen Festumzug mit großformatigen Bildern. Vereine unserer Marktgemeinde werden besondere Kapitel der Geschichte Sillians thematisieren und darstellen”, informiert GR Otto Trauner. Im Jubiläumsjahr 2019 wird auch die originale Urkunde aus dem Jahre 1469 zu sehen sein, die im Gemeindearchiv aufbewahrt wird.

 

Die Markterhebungsurkunde aus dem Jahre 1469 aus dem Archiv der Marktgemeinde Sillian. Foto: Peter Leiter

 

Die Markterhebung im Juni 1469

Auf die Markterhebung am 29. Juni 1469 bezieht sich auch ein Abschnitt in der Chronik Sillians, die 2015 im Haymon Verlag erschienen ist. Historiker Wilfried Beimrohr nimmt zunächst auf die wirtschaftliche Entwicklung im Spätmittelalter Bezug: „Dass sich in der kleinen Ortschaft, abseits der Landwirtschaft, wirtschaftlich etwas rührte, darf nicht verwundern. Ab dem späten 14. Jahrhundert tauchen in den Urkunden immer wieder Gewerbetreibende auf: Gastgeben oder Wirte, Krämer,  Schmiede, Schuster, Schneider und Kürschner. Das sind Indizien dafür, dass sich Sillian neben dem administrativen zum wirtschaftlichen Mittelpunkt einer Region mauserte, langsam, aber stetig“, um dann weiter auszuführen, dass … „der Aufstieg vom bäuerlichen Ort zum Marktort damit schon vorgezeichnet war.“ Zur Markterhebung selbst schreibt Dr. Beimrohr Folgendes: „Graf Leonhard von Görz verbriefte und verlieh ,unserem Markte zu Sillian‘ 1469 in einer feierlichen Urkunde eine Reihe von Rechten: Auf immer und ewig darf Sillian am Heiligkreuztag (3. Mai) jeden Jahres einen Jahrmarkt veranstalten nach den in den vordergörzischen Gebieten üblichen Rechten, Freiheiten und Gewohnheiten … Zudem darf in Sillian am Dienstag (Pfinztag) jeder Woche ein Wochenmarkt abgehalten werden.“

 

Die älteste bekannte Fotografie von Sillian, entstanden um 1870. Foto: Alois Kofler, Bruneck/Archiv Leiter-Asthof

 

Jahrmärkte waren im Mittelalter Großereignisse, die Kaufleute, Händler und Verkäufer aus nah und fern sowie kaufwilliges Publikum anzogen. Es wurden, und darin lag ihre Attraktion, Waren angeboten, die es während des Jahres nicht oder nicht in dieser reichen Auswahl zu kaufen gab. Auf Wochenmärkten hingegen standen Waren für den täglichen Bedarf im Mittelpunkt. Das Recht, Märkte, insbesondere Wochenmärkte abhalten zu dürfen, inkludierte viele Vorteile. Außerdem belebte es das Gewerbe und die Landwirtschaft des Marktortes.

 

Vom Marktrecht profitierte auch die Landwirtschaft. Im Bild der Asthof um 1905. Foto: Archiv Leiter-Asthof

 

Über Jahrhunderte waren Märkte äußerst wichtige Einrichtungen, erst im Laufe des 19. Jahrhunderts verloren sie zunehmend an Bedeutung. In Sillian finden bis heute über das Jahr verteilt noch fünf Märkte statt. Natürlich haben diese bei Weitem nicht mehr den Stellenwert früherer Zeiten.

Naturkatastrophen, Feuer und die Pest

Abseits der Markterhebung stechen aus der langen Geschichte Sillians immer wieder auch Naturkatastrophen und Feuersbrünste, aber auch Epidemien heraus. Knapp 30 Jahre vor Erlangung des Marktrechtes verschüttete beispielsweise eine Mure, die vom Sillianberg abging, Häuser und Felder. Ein ähnlicher „Bergsturz” ist für das Jahr 1591 belegt. 1506 und 1636 forderte die Pest, der „schwarze Tod“, viele Opfer. Feuer zerstörten 1665 insgesamt 20 und im Jahre 1798 fünfzehn Häuser. 1832 brannte Arnbach fast zur Gänze ab.

 

Eine Aufnahme vom Hochwasser im November 1966. Foto: Archiv Marktgemeinde Sillian

 

Besonders oft wurde Sillian von Hochwassern heimgesucht: 1882 etwa setzte die Drau das Gebiet um Sillian unter Wasser. Im gleichen Jahr und dann wieder 1917 vermurte der Johannesbach große Teile von Arnbach. Schäden vermeldete man auch im Hochwasserjahr 1965, das auch in anderen Teilen Osttirols enorme Zerstörungen hinterließ. Ein Jahr später, 1966, brach der Drau-Damm, wodurch über 100 Häuser im Wasser standen. Die erste große Drau-Verbauung erfolgte in den Jahren 1973 bis 1975. Seit 2015 wird an der Drau ein Hochwasserschutzprojekt umgesetzt, das im Dezember 2022 fertiggestellt werden und das Sillian auch für ein 100-jährliches Hochwasserereignis wappnen soll. „Es handelt sich dabei mit einem Volumen von 12,9 Mio. Euro um das größte Flussbau-Schutzprojekt in Tirol”, erklärt dazu Bürgermeister Hermann Mitteregger.

 

Ein historisches Foto von der Grenze in Arnbach. Foto: Verlag Deutscher Schulverein Südmark, Archiv M. Pizzinini

 

Sillian und die Grenze

Einen markanten Einschnitt in der Historie der Pustertaler Marktgemeinde bedeutete der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges geschlossene Vertrag von St. Germain, der die Abtretung Südtirols an Italien zur Folge hatte. Aus Sillian wurde damit plötzlich ein Grenzort. Historisch geknüpfte Verbindungen – wirtschaftliche wie persönliche – rissen abrupt ab. In der Sillianer Chronik kann man dazu im Kapitel von Autor Martin Steidl Folgendes nachlesen: „Nachdem die italienischen Truppen 1918 bereits am Toblacher Feld nahe dem Drauursprung eine provisorische Grenzabfertigungsstelle eingerichtet hatten, wurde diese wenige Wochen später an jene Engstelle des Pustertales zwischen Arnbach und Winnebach verlegt, an der bis heute die Staatsgrenze verläuft … Für die Bewohner der Region brachte die Grenzziehung weitreichende Konsequenzen mit sich. Die durch Heirats- und Handelsbeziehungen eng verflochtene Talschaft zerfiel in einen italienischen und in einen österreichischen Teil … Besonders schwer lastete auf den Anwohnern der Grenze jedoch der Verlust des Selbstverständnisses als Tiroler. Die einen waren ungeachtet ihrer Sprachzugehörigkeit über Nacht zu Italienern geworden, während die bei Österreich verbleibende Bevölkerung sich sowohl von ihrem Bundesland als auch von ihrer Landeshauptstadt abgeschnitten wiederfand.”

 

Der Grenzübergang Sillian/Arnbach heute. Foto: Peter Leiter

 

Heute, 100 Jahre nach dem Vertrag von St. Germain, und 24 Jahre nach dem Beitritt Österreichs zur EU und der Beendigung der Grenzkontrollen in Arnbach, verweist Bürgermeister Hermann Mitteregger auf ein „erfreuliches Zusammenwachsen” der Alttiroler Landesteile und spricht von einem „wirtschaftlichen Aufblühen” der Region. „Viele Betriebe aus Südtirol haben sich in Sillian bzw. in der näheren Umgebung angesiedelt. Gemeinsam mit unseren heimischen Unternehmen haben sie für  einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung des Osttiroler Pustertales und für tausende Arbeitsplätze gesorgt. Im Oberland herrscht heute nahezu Vollbeschäftigung. Außerdem sind auch zahlreiche Südtiroler bzw. Italiener nach Sillian gezogen. Sie leben, wohnen und arbeiten bei uns und schätzen die Infrastruktur in unserer Gemeinde mit einem breiten Schulwesen, einer guten ärztlichen Versorgung, einem Wohn- und Pflegeheim, dem Sozial- und Gesundheitssprengel, einer Rot-Kreuz-Ortsstelle und vielem anderen mehr. So konnten wir auch unsere Einwohnerzahl stabil halten, während viele andere Orte im Bezirk von Abwanderung betroffen sind.”

 

Postkarte von Bad Weitlanbrunn um 1920. Foto: Archiv Leiter-Asthof

 

Tourismus und Verkehr

Neben den vielen Gewerbe-, Handels-, Dienstleistungs- und Industriebetrieben, die heute ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Marktgemeinde Sillian darstellen, spielt in der Osttiroler Kommune traditionell auch der Sektor Tourismus eine Rolle. Ein Blick zurück zeigt, dass auf Sillianer Gemeindegebiet einst ein reger Kurbetrieb herrschte. Bad Weitlanbrunn in Arnbach zog Erholungssuchende an, die sich die gesundheitsfördernde Kraft des Wassers zunutze machen wollten. Ursprung des „Kurbetriebes“ war ein altes Bauernbadl. 1843/44 erfolgte ein großzügiger Ausbau zu einem Hotel mit Badebetrieb. Mit der Errichtung der Südbahn erlebte nicht nur Bad Weitlanbrunn, sondern auch der Tourismus in der gesamten Region, einen beachtlichen Aufschwung. Bereits 1858 waren erste Planungen der Südbahngesellschaft vorgelegen, Wien über die Südbahn mit Tirol zu verbinden. Im Spätherbst 1869 startete der Bau der Pustertalbahn, und bereits im November 1871 – ein Jahr früher als ursprünglich geplant – konnte der Betrieb auf der insgesamt 209 km langen Pustertal-und Drautalbahn aufgenommen werden.

 

Der erste Skilift Osttirols ging in Sillian in Betrieb. Foto: Archiv S. Straganz, Repro Holzer

 

Über ein weiteres interessantes Detail aus der jüngeren Vergangenheit Sillians – die Vorreiterrolle in Sachen Wintersport – weiß GR Peter Leiter zu berichten: „Sillian verfügte nicht nur über den ersten Skilift in Osttirol, sondern auch über den ersten Sessellift.“ Eine 1948 in Betrieb genommene Sprungschanze musste im Jahre 1969 der Umgestaltung der Helm-Abfahrtsstrecke weichen. „Legendär war“, so Leiter, „das Helmpokalrennen. 1948 fand dieser Abfahrtslauf zum ersten Mal statt. Im Winter 1969/70 wurde der Bewerb erstmals auch als ÖSV-Punkterennen ausgetragen, wodurch er schlagartig an Attraktivität gewann.”

 

Mit der geplanten Skiverbindung Sillian-Sexten wird die Pustertaler Marktgemeinde an den größten Skiverbund der Welt – Dolomiti Superski – angeschlossen. Im Bild: Gschwendt, Heinfels, Blick Richtung Hochgruben.  Foto: Peter Leiter

 

Mit dem Tourismus, aber auch mit der Thematik „Verkehr“ verbinden Bürgermeister Mitteregger und die Gemeinderäte Trauner und Leiter übrigens die aktuell größten Herausforderungen für ihre Heimatgemeinde. „Die Investitionen der letzten Jahre in die Infrastruktur haben der Region sehr gut getan. Einen weiteren, sehr wichtigen Impuls erwarten wir uns von der geplanten Skiverbindung Sillian-Sexten. Damit werden wir an Dolomiti Superski – den größten Skiverbund der Welt – anschließen können. Unser Ziel ist es, zur nächtigungsstärksten Gemeinde Osttirols zu werden”, definiert Bgm. Mitteregger die Zielsetzung.

 

Bgm. Hermann Mitteregger: „Die Investitionen der letzten Jahre in die Infrastruktur haben der Region sehr gut getan. Von der geplanten Skiverbindung nach Sexten erwarten wir uns weitere wichtige Impulse. Unser Ziel ist es, zur nächtigungsstärksten Gemeinde Osttirols zu werden. Foto: Tanja Cammerlander

 

Ein großes Problem bleibe hingegen, so alle drei Gemeindepolitiker, der Durchzugsverkehr. „Die Drautalbundesstraße B100 führt mitten durch unser  Ortszentrum, was für die Bevölkerung eine beträchtliche Belastung bedeutet. Diesbezüglich hoffen wir weiter auf eine möglichst rasche Lösung.“ Erfreulich sei, dass die ÖBB im Rahmen des Mobilitätskonzeptes allein in Sillian 17,3 Mio. Euro investieren will. „Die Bahnhöfe in Sillian und auch in Weitlanbrunn werden großzügig modernisiert, was insbesondere auch für den Tourismus einen enormen Mehrwert darstellt”, freut sich der Bürgermeister.

 

Text: Raimund Mühlburger

21. April 2019 um