Dölsach: „Bergbau“ im Fokus von Tagung in Aguntum

Der Bergbau in Osttirol und den angrenzenden Regionen war Thema des 3. Workshops des Instituts für Archäologien und des Curatoriums pro Agunto in Aguntum.

Seit 2015 veranstalten das Institut für Archäologien der Universität Innsbruck und der Verein Curatorium pro Agunto jeweils im November wissenschaftliche Workshops im Grabungshaus von Aguntum in Dölsach. Die heurige Fachtagung, an der auch das interdisziplinäre Forschungszentrum „HiMAT“ maßgeblich beteiligt war, beschäftigte sich mit dem Thema „Bergbau in Osttirol und angrenzenden Regionen“. Curatorium-pro-Agunto-Obmann Leo Gomig und der für Aguntum zuständige Archäologe Martin Auer konnten Wissenschaftler, Doktoranden, Diplomanden und weitere Spezialisten aus Österreich, Deutschland und Italien willkommen heißen. Prof. Gert Goldenberg, Leiter des Forschungszentrums HiMAT, betonte die Bedeutung des historischen alpinen Bergbaus einerseits als wirtschaftliche Grundlage für die Bevölkerung, aber auch als Motor von technischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen und einen Warenaustausch, der schon in prähistorischer Zeit praktisch ganz Europa umfasste. So ließen sich in den Alpen abgebaute und bearbeitete Jadeit-Artefakte – wie etwa Beile und Klingen – sogar noch auf den Britischen Inseln nachweisen.

Auch der Abbau von Bergkristall und von Silex – letzeres etwa in Form von Radioralit –  ist in Tirol bereits seit der Mittelsteinzeit belegt. Mit dem Kupferbergbau wurde in Südosteuropa bereits im 5. Jahrtausend vor Christus begonnen, in Tirol finden sich diesbezügliche Nachweise erst ab der Bronzezeit. Osttirol ist, was die Erforschung frühgeschichtlichen, aber auch römerzeitlichen bzw. frühmittelalterlichen Bergbaus betrifft, bisher noch „terra incognita“. Diese Forschungslücke möchte die Wissenschaft gerne schließen.

Recht gut untersucht ist der prähistorische Bergbau in Nordtirol und in Vorarlberg. So berichtete Caroline Posch über die Ergebnisse der mehrjährigen Untersuchung des obertägigen Radioralitabbaus „Am Feuerstein“ im Kleinwalsertal. Mittels C14-Datierungen konnten dort Bergbauaktivitäten ab dem Ende der Jungsteinzeit nachgewiesen werden. Am Projekt „Prähistorische Kupferproduktion in den Ost- und Zentralalpen – technische, soziale und wirtschaftliche Dynamik in Raum und Zeit“ hat Caroline Grutsch mitgearbeitet. Sie erklärte die Vorgehensweise der Wissenschaftler, die zunächst herausfinden müssen, wo es entsprechende Erzlagerstätten gab. Hinweise liefern etwa Flurnamen, aber auch das Sagengut einer Region und Berichte der ortskundigen Bevölkerung. Schließlich muss auch überlegt werden, ob die Lagerstätten in prähistorischer Zeit überhaupt zugänglich waren. Es werden aber auch die Fertigprodukte – etwa Bronze-Beile – auf ihre Produktionsweise, die Herkunft und die Verbreitung hin untersucht. Heute weiß man z.B, dass das Kupfer für das Bronzebeil, das „Ötzi“ bei sich hatte, aus der Toskana stammt.

Markus Staudt und Prof. Goldenberg haben in den letzten drei Jahren mehrere urgeschichtliche Gruben, Pingenfelder und Erzaufbereitungs- bzw. Verhüttungsplätze in Brixlegg, Reith im Alpbachtal, Straß im Zillertal, Buch und Gallzein untersucht und dokumentiert. Im Bergbaurevier Schwaz-Brixlegg konnte nachgewiesen werden, dass die prähistorischen Bergleute mittels Feuersetztechnik die dort als Fahlerz auftretenden Kupfervorkommen bis 40 m in das Dolomitgestein vorgetrieben haben. Dendrochonolgische Untersuchungen der vorgefundenen Holzkohlefragmente (Überreste des Feuersetzens) ermöglichten jahrgenaue Datierungen. So konnte eine 500-jährige durchgehende montanistische Aktivität, die erst 700 vor Christus endete, im Bergbaurevier Schwaz-Brixlegg eindeutig nachgewiesen werden. Das Forschungsprojekt lieferte zudem detaillierte Informationen zur komplexen Produktionskette bei der prähistorischen Kupfergewinnung und auch zur Lebensweise der damaligen Bergleute wie auch der mit der Verhüttung befassten Personen.

Grabungen in Rotholz brachten einen Verhüttungsplatz zutage, der eine Batterie aus 4 Schmelzöfen und 8 gleichartigen Gruben zur Schlackensandaufbereitung umfasst und somit schon auf eine vorindustrielle Produktionsweise schließen lässt, die man in der späten Bronzezeit nicht erwartet hätte. Thomas Bachnetzer, Archäologe mit Schwerpunkt Hochgebirgsforschung, und Prof. Peter Tropper vom Institut für Geologie und Petrographie der Uni Innsbruck berichteten über archäologische und mineralogische Untersuchungen an den Lavezvorkommen vom Pfitscherjoch in den Zillertaler Alpen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Interreg-Projektes. Lavez – besser bekannt als Speckstein – ist sehr weich und daher leicht abbau- und bearbeitbar, aber auch extrem hitzebeständig – man denke an die beliebten Specksteinöfen. Diese Materialeigenschaften führten im Bereich des Pfitscherjochs zu einer an 14 obertägigen Lavez-Brüchen nachgewiesenen Abbautätigkeit schon in der Römerzeit. Der Fund von gedrechselten Lavezgefäß-Fragmenten aus dem Frühmittelalter um 650 n.Chr. bedeutet, dass die bisherige Annahme, solche Gefäße wären ausschließlich aus der Ostschweiz und Italien als Importware nach Tirol gekommen, revidiert werden muss. Lavezvorkommen, die auf Abbautätigkeiten hin untersucht werden sollten, gibt es übrigens auch in Osttirol – etwa im hinteren Iseltal.

Anja Diekamp forscht am Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften, Arbeitsbereich Materialtechnologie, der Universität Innsbruck und steht den Archäologen etwa bei der Untersuchung historischer Baustoffe zur Seite. Ihr Vortrag beschäftigte sich mit den Bindemitteln historischer Mörtel, die meist als vorschnell als „Kalkmörtel“ identifiziert werden. Tatsächlich gibt es zwischen diesen Kalkmörteln erhebliche Unterschiede, die erst nach akribischen Analysen aufgedeckt werden können. Rätsel gibt etwa die Untersuchung des Rundmacellums von Aguntum auf, wo Teile des „Mörtels“ überhaupt keine Kalkanteile aufweisen und daher bislang fraglich ist, was die Mauerstrukturen zusammenhielt.

Vor drei Jahren hat der Geologe Alex Stricker den „Geologischen Lehrkoffer des Bezirks Lienz“ bestückt und ein Begleitheft dazu verfasst. In seinem Vortrag befasste er sich mit dem innerhalb Österreichs einmaligen Auftreten von Südalpin, Ostalpin und Penninikum – letzeres in Form des Tauernfensters – was die außergewöhnliche Vielfalt an Gesteinen in Osttirol erklärt. So gesehen ist der Bezirk buchstäblich „steinreich“, aber auch reich an unterschiedlichen Erzen, die ehemals auch abgebaut wurden. Heute beschränkt sich die wirtschaftliche Nutzung auf Gesteine, wobei am bekanntesten wohl die Serpentinit- bzw. Chloritschiefer-Steinbrüche im Prägratner Dorfertal sind.

Mit den Bau- und Ziersteinen aus dem Municipium Claudium Aguntum kennt sich der langjährige Grabungsleiter Prof. Michael Tschurtschenthaler bestens aus. Bekanntlich errichtete man die antike Stadt auf dem Schwemmkegel des Debantbaches und bediente sich dabei der reichlich vorhandenen Bachsteine. Allerdings mussten für die Heizanlagen, Bögen und Schwellen ausgesuchte Materialien verwendet werden, die man gezielt abbaute bzw. importierte. Mauerziegel hat man in Aguntum bisher nicht gefunden, wohl aber Dachziegel und Hohlziegel für die Fußboden- und Wandheizungen. Über die Herkunft der Ziegel geben 3 bislang bekannte Ziegelstempel Auskunft; der Ziegelstempel „L.V.Z.“ konnte allerdings noch keinem bestimmten Herkunftsort zugeordnet werden, weshalb eine lokale Produktion vermutet wird. Importiert wurden etwa der rote Marmor „Rosso Verona“, Bozener Porphyr und Tuffblöcke, wie sie beim Bau der Therme Verwendung fallen.

Der in Aguntum sehr häufig verwendete und als Zeichen gehobenen Lebensstils und Wohlstands geltende weiße Marmor stammt aus Gummern bzw. Krastal bei Villach und wurde vermutlich über die Drau nach Osttirol getreidelt. Ebenfalls ein „intimer“ Kenner der einzigen Römerstadt Tirols ist der Archäologe Martin Auer. Er beleuchtete die Nutzung alpiner Ressourcen in Aguntum. Interessant ist, dass man im sog. „Handwerkerviertel“ zwar zahlreiche Herdspuren im Freien, aber bislang keine eindeutigen Spuren von Metallverarbeitung gefunden hat. Schmiedeschlacken finden sich hingegen mehrfach, unter anderem auch im Atriumhaus, wo auch ein Gusstiegel gefunden wurde, welcher der Herstellung von Buntmetallgegenständen diente. Gusszapfen und Halbzeuge traten im Macellum zu Tage, auch Blei-Gussformen wurden gefunden. In einem Raum des Forums, der wohl als Lager gedient hat, wurde unter einer aus der Mitte des 3. Jahrhunderts stammenden Brandschicht eine Unmenge an Gegenständen verschiedenster Art gefunden, darunter etwa Azurit-Kugeln, die man vermutlich zu Herstellung von Farben benötigte, und eine große Anzahl an Bergkristallen, wobei bislang allerdings Hinweise auf deren lokale Bearbeitung fehlen.

Über den Fund von Luppen – also mittels Rennöfen gewonnenen Eisen-Halbzeugen, die dann von Schmieden weiterverarbeitet wurden – in Aguntums östlicher Nachbarstadt Teurnia berichtete Josef Eitler. Offenbar waren diese Luppen Handelsware; es konnte aber auch eine metallverarbeitende Werkstatt aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts im Bereich des erst später errichteten Forums nachgewiesen werden.

Einen Blick auf das Bergbaugeschehen bei unseren südlichen Nachbarn in der Provinz Belluno ermöglichte Eugenio Tamburrino, Doktorand an der Universität von Venedig. Erstmals genau untersucht und dokumentiert wurden die Bergbaureviere im Norden der Provinz 1961 vom Geografen Alessandro Cuccagna. Hauptsächlich wurden Kupfer, Eisen, Blei, Zink und Quecksilber abgebaut. Mittels C 14-Datierungen gelang der Nachweis, dass bereits 240 vor Christus Erze in Cimagogna bei Auronzo aufbereitet und verhüttet wurden. Die Blütezeit erlebte der Bergbau in der Region in den Jahrhunderten der Zugehörigkeit zur Republik Venedig. Die wichtigste Kupferabbaustätte, welche 50% des Kupferbedarfes der Serenissima deckte, befand sich im Val Imperina in der Gemeinde Rivamonte Agordino. Dort arbeiteten noch im 18. Jahrhundert 1.300 Personen für das Bergwerk, welches schließlich 1962 geschlossen wurde. Das Blei- und Zinkbergwerk Salafossa bei San Pietro di Cadore bestand noch bis 1987. Damit endete die ehemals große Bedeutung des Bergbaues für diese unmittelbare Nachbarregion Osttirols.

Eine nicht alltägliche und teilweise skurril anmutende Quelle über Erzvorkommen im Pustertal und in Osttirol hat Andreas Oberhofer, Stadtarchivar in Bruneck, vorgestellt. Ein siebenseitiges, 1604 verfasstes Manuskript eines unbekannten Autors weist in 13 Kapiteln auf Erzlagerstätten hin, von denen man sich einen lohnenden Abbau erwartete. Eine Reihe lokaler Auskunftspersonen berichtete dem Schreiber über eigene Wahrnehmungen, meist aber bloß über Behauptungen Dritter. Der Schreiber dürfte wohl ein Spitzel gewesen sein, der die Obrigkeit aufforderte, strenger gegen den illegalen Erzabbau und den „zollfreien“ Erzexport vorzugehen. Trotz der teilweise recht vagen Orts- und Flurangaben konnte der Archäologe Ingemar Gräber bereits einige der beschriebenen Erzlagerstätten lokalisieren und begehen.

Der Edelmetallbergbau ist das zentrale Interessens- und Forschungsgebiet von Georg Kandutsch, der sich in seinem Referat mit den diesbezüglichen Aktivitäten im Oberen Mölltal beschäftigte. Dort ist nach gediegenem Gold, also „Freigold“, ebenso gesucht bzw. gegraben worden wie nach dem sogenannten gepanzerten Gold, das oft in Verbindung mit Pyrit in Erscheinung tritt. Die Gletscherschmelze der letzten Jahrzehnte ermöglichte erstmals nach 200 Jahren wieder die Befahrung alter Schrämmstollen. Das Eis hat auch zahlreiche Hilfsmittel und hervorragend konservierte Bekleidungsgegenstände der Bergknappen freigegeben. So hat Georg Kandutsch etwa eine Vielzahl an Mokassin-artigen Schuhen in 3.000 m Seehöhe geborgen. Der Abbau des Tauerngoldes am Zirbensee im Fleißtal war immerhin so ertragreich, dass die Gewerkenfamilie Jenner damit gegen Ende des 17. Jahrhunderts den Bau des Klosters Säben finanzieren konnte.

Der letzte Vortrag des Workshops von Studienassistentin Elisabeth Waldhart war der Osttiroler Bergbaugeschichte gewidmet. Bis 1715 wurde „im Blindis“ in St. Jakob im Defereggental kupferhaltiges Erz abgebaut; die Ruinen des Knappenhauses in ca. 2.300 m Seehöhe sind noch gut sichtbar und wurden bereits 1991 unter der Leitung von Prof. Harald Stadler archäologisch untersucht. Da damals ein eigener Fachbereich für Textilarchäologie an der Universität Innsbruck noch nicht etabliert war, wurden im Vorjahr die zahlreichen Textilfunde bearbeitet, mit jenen der hochgelegenen Goldbergbaugebiete in Salzburg und Kärnten verglichen und auf ihre Verwendung hin bewertet. Die Veranstaltung vermittelte einen hervorragenden Überblick über den aktuellen Stand der Bergbau-Forschung im Herzen der Alpen. Die Vortragenden zeigten sich einig darüber, dass in Osttirol noch ein hohes Potential an wünschenswerten Erkenntnisgewinnen über den historischen Bergbau vorhanden ist.

Text: Verein Curatorium pro Agunto, Foto: FZ HiMAT/Gert Goldenberg

21. November 2017 um