Hier wird das alte Sattler-Handwerk noch gepflegt

Pferdegeschirre, Glockenriemen und Halfter – Günther Neumayr führt in Mittersill in dritter Generation eine Sattlerei. Auch Sohn Jonathan arbeitet bereits kräftig mit.

Das Riemer- und Sattler-Handwerk hat im Oberpinzgau jahrhundertealte Tradition. „Geschirre für Zug- und Tragtiere wurden in früherer Zeit viele gebraucht. Mir ist es wichtig, das alte Sattler-Handwerk nicht aussterben zu lassen“, so Günter Neumayr bei unserem Besuch in der Sattler-Werkstatt in Mittersill. Er ist gerade dabei, einen alten Glockenriemen zu restaurieren. „Früher wurden solche Glockenriemen für Rinder und Pferdehalfter vor allem im Winter angefertigt. Heute stelle ich diese auf Auftrag her. Derzeit bin ich gerade dabei, Glockenriemen für die SLT (Salzburg Land Tourismus) zu gestalten, die als Preise verwendet werden“, erklärt Günter. Sein Großvater Johann hat im Jahre 1951 in Wald im Pinzgau eine Sattlerei ins Leben gerufen. Vater Franz führte das Unternehmen weiter.

 

Jonathan, Günter und Franz Neumayr (v.l.n.r.) sorgen dafür, dass das Sattler-Handwerk im Pinzgau erhalten bleibt.

 

„Da das Pferd als Arbeitstier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr durch Maschinen und Geräte ersetzt wurde, verlor auch das Sattler-Handwerk an Bedeutung. Ich selbst habe 1994 die Meisterprüfung als Tapezierer abgeschlossen und fünf Jahre später den Betrieb übernommen. Das Sattlergewerbe wollte ich aber unbedingt weiterführen“, so der 48-Jährige. Neben klassischen Arbeiten als Tapezierer (z.B. im Bereich Bodenbeläge, Tapeten, Möbel- und Dekorstoffe, Gardinen oder Sonnenschutz) bietet die Firma Neumayr deshalb nach wie vor die Herstellung bzw. Restaurierung von Geschirren für Pferde und andere Tiere an. In der Mittersiller Werkstatt entstehen darüber hinaus moderne Ausstattungen für Autos und Motorräder aus Leder oder anderen Materialien.

 

 

„Unsere Geschirrteile kommen bei Pferden und anderen Tieren (Esel und Ziegenböcke) zum Einsatz. Ob ein komplettes Pferdegeschirr, Glockenriemen oder Halfter – jedes Produkt, das unsere Werkstatt verlässt, ist ein Unikat. Wir arbeiten hauptsächlich nach überlieferten Vorlagen. Viele stammen noch von meinem Großvater“, erklärt der begeisterte Sattler. Er arbeitet sehr gerne mit Leder aus vegetabiler Gerbung. Die Verzierungen sind meist aus massivem Messing gegossen. Im Pinzgau gibt es auch noch das inzwischen sehr selten gewordene „Boandlgeschirr“. Das Außergewöhnliche dabei sind die Verzierungen mit Kaurimuscheln. „Die Muscheln stammen aus Ländern am Indischen Ozean. Früher gelangten sie durch den Saumhandel in unsere Gegend. Im Volksmund wird die Muschel auch als Kaurischnecke bezeichnet. Vor allem größere Bauern leisteten sich früher reich verzierte Pferdegeschirre. Auch heute noch geben die Muscheln, Wappen, Initialen oder Namen den Geschirren ein besonderes Gepräge. Auch die Farbe des Leders spielt meist eine wichtige Rolle“, informiert der Pinzgauer.

 

Die Dienste des traditionsreichen Pinzgauer Sattlerbetriebes nehmen auch die Salzburger Festspiele gerne in Anspruch. „Als mein Vater 1996 einen Lederpanzer für ,Othello‘ Placido Domingo fertigte, habe ich ihm geholfen. 2002 erhielten wir den Auftrag, Gürtel für die Solisten bzw. Kronen für die Hauptdarsteller der Parsifal-Inszenierung zu produzieren.“ Im Betrieb werden heute auch Ausstattungen für Tischler gefertigt. „Dies kann ein Lederboden ebenso sein wie eine Bar. Für das Schlosshotel Velden haben wir z.B. Holzplatten für die Wände eines Appartements mit Fellen von 70 Kühen tapeziert.“

 

 

Günter Neumayr ist in der glücklichen Lage, dass seine Begeisterung für das Sattlergewerbe auch schon die nächste Generation erfasst hat. Sohn Jonathan, 25 Jahre jung und Tapezierer-Geselle, schaut seinem Papa gerne über die Schultern, wenn Pferdegeschirre hergestellt oder restauriert werden. „Mir ist es wichtig, das Sattler-Handwerk bei uns im Pinzgau auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Mit den eigenen Händen etwas zu schaffen und die individuellen Wünsche der Auftraggeber ebenso wie die eigene Kreativität in das Werk einfließen lassen zu können – das ist das Faszinierende an diesem alten Handwerk“, hält der Unternehmer abschließend fest.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger, Neumayr

20. September 2017 um