Waldverjüngung, Borkenkäfer und Wildeinfluss im Fokus

Aus Anlass des „Internationalen Tages des Waldes“ befragten wir DI Hubert Sint von der Bezirksforstinspektion an der BH Lienz zu aktuellen Themen rund um den Osttiroler Wald.

 

In Österreich ist knapp die Hälfte der Staatsfläche bewaldet, tirolweit nimmt die „grüne Lunge“ rund 40 Prozent der Landesfläche ein. In Osttirol sind 31 Prozent der Gesamtfläche von Wald bedeckt. Für die Forstwege, aber auch für viele andere wichtige Aufgabenstellungen rund um den Osttiroler Wald zeichnet die Bezirksforstinspektion an der Bezirkshauptmannschaft Lienz als zuständige Behörde verantwortlich. Seit 2008 ist DI Hubert Sint als Bezirksforstinspektor tätig. Seine Arbeit schließt auch die forstfachliche Zuständigkeit für die rund 30 Waldaufseher in den Osttiroler Gemeinden mit ein. Im Interview nimmt DI Hubert Sint auf das Holzjahr 2017 Bezug, berichtet von einem konstant höheren Holzpreis im Vorjahr und erläutert die aktuelle Borkenkäfer- und Wildeinfluss-Situation.

 

DI Hubert Sint, Leiter der Bezirksforstinspektion Lienz: „Der Gegenwert des in Osttirol geschlägerten Holzes beträgt jährlich rund 15 Millionen Euro. Aufgrund der vorherrschenden Kleinbesitzstruktur im Bezirk Lienz kommt dieser Erlös einer großen Zahl von Waldbesitzern zugute.“

 

Herr DI Sint, wie war das „Holzjahr 2017“ im Bezirk Lienz? Wo sehen Sie gute Entwicklungen, wo Probleme?
DI Hubert Sint: Ich würde sagen, dass 2017 aus forstwirtschaftlicher Sicht ein intensives Jahr war, gekennzeichnet von einem hohen Holzeinschlag (189.000 m³), der nahe an dem Nachhaltigkeitshiebsatz von 200.000 m³ lag und um 10.000 m³ höher ausfiel als 2016. Mit 500.000 Stück Fichten, Lärchen, Tannen und Laubhölzern wurde intensiv aufgeforstet. Es ist für unsere Waldbesitzer selbstverständlich, dass überall dort, wo Holz genutzt wurde, im Folgejahr aufgeforstet wird. Nur so ist es auch möglich, den jährlich hohen Einschlag zu halten. Zusätzlich konnten Waldpflegemaßnahmen umgesetzt werden. Bis zum Sommer war es ein sehr trockenes Jahr, was auch zu zahlreichen Löscheinsätzen der Feuerwehren im Waldbereich geführt hat. Regionsweise bedeutete es eine große Herausforderung, den Borkenkäferbefall durch gezielte Maßnahmen einzudämmen. Insgesamt sind im letzten Jahr rund 44.000 m³ Schadholz, davon rund 15.800 m³ Käferholz, angefallen. Zum Glück sind wir von katastrophalen Windwurfereignissen, wie sie im benachbarten Kärnten auftraten, verschont geblieben. Trotzdem sind immerhin rund 28.200 m³ Windwurfholz angefallen.

Wie unterscheidet sich die Situation in Osttirol von jener anderer Tiroler Bezirke?
Ich denke, dass wir uns durch den guten Holzeinschlag und die intensive Aufforstungsarbeit doch wesentlich von den anderen Bezirken Tirols abheben. Auffällig ist außerdem auch der konstant höhere Holzpreis.

Welche Rolle spielt der Wald in Osttirol als Wirtschaftsfaktor?
Der Gegenwert des in Osttirol geschlägerten Holzes beträgt jährlich rund 15 Millionen Euro. Aufgrund der vorherrschenden Kleinbesitzstruktur im Bezirk Lienz kommt dieser Erlös einer großen Zahl von Waldbesitzern zugute. Diese investieren dieses Geld 1:1 wieder in der Region. So werden durch die Bereiche Holzschlägerung, Aufforstungs- und Pflegearbeiten doch einige hundert Arbeitsplätze gesichert. Hinzu kommen viele weitere Arbeitsplätze in der weiterverarbeitenden Industrie und im Gewerbe. Laut der Kooperationsplattform „Forst-Holz-Papier“ beziehen im gesamten Bundesgebiet rund 300.000 Menschen ihr Einkommen aus dem Wert- und Werkstoff Holz. Bei verstärkter Holzverwendung besteht hier ein großes Potenzial an zusätzlichen „Green Jobs“. An einem Rechenbeispiel erläutert, könnte man dies so ausdrücken: Durch 100 Erntefestmeter an zusätzlich verarbeitetem Holz entsteht entlang der Wertschöpfungskette ein weiterer Arbeitsplatz!

Seit 2004 wird österreichweit das so genannte Wildeinfluss-Monitoring durchgeführt. Welches Bild zeigt die letzte Erhebung für Osttirol?
Die Ergebnisse der letzten Erhebungsperiode haben ergeben, dass zwei Drittel der Erhebungspunkte einen schwachen Wildeinfluss auf die Waldverjüngung aufweisen. Ein Drittel der Probepunkte zeigten einen mittleren bzw. starken Wildeinfluss. Dieses Ergebnis lässt sich auch durch andere Aufnahmen bestätigen. Zu berücksichtigen ist, dass Schälschäden durch das Wildeinfluss-Monitoring nicht erfasst werden.

Lassen sich diesbezüglich bei einzelnen Baumarten Unterschiede erkennen?
Bei zu hohem Wilddruck werden alle Baumarten „verbissen“. Mischbaumarten, insbesondere Tanne und Laubholz, „schmecken“ dem Wild offenbar besonders gut, da die Knospen und jungen Triebe besondere Geschmacksstoffe enthalten. Zudem sind die Nadeln der Tanne weich und nicht so stechend und „kratzig“ wie beispielsweise jene der Kieferbäume.

 

Die Schutzwaldpflege umfasst auch jährliche Maßnahmen zur kleinflächigen Verjüngung der Altholzbestände.

 

Was waren die wichtigsten Maßnahmen der Schutzwaldpflege im Vorjahr?
Die kleinflächige Verjüngung der Altholzbestände ist ein großes Ziel, das wir uns gesetzt haben. Nur so ist es möglich, viele unterschiedlich alte Bestände auf den jeweiligen Waldbereichen zu erhalten. Die Bestandsphasen – von der Aufforstung über die Jungbestände und mittelalten Bestände bis zum Altholz – leisten unterschiedliche Beiträge zur Schutzwirkung. Die mosaikartige Verteilung von jungen und alten Beständen reduziert etwa beispielsweise bei Windwurfereignissen jene Flächen, die eine Zeit lang die Schutzwirkung nicht mehr im vollen Ausmaß erfüllen können. Wie bereits vorher erwähnt, ist eine möglichst schnelle Wiederbewaldung die prioritärste Aufgabe im Schutzwald. Zukünftig wird es auch von Bedeutung sein, die Pflegemaßnahmen in der Dickungs- und Stangenholzphase zu forcieren. Nur so können auch stabile, mischbaumartenreiche Bestände heranwachsen.

Welche Rolle spielt das Tiroler Förderprogramm? Welche konkreten Investitionen konnten 2017 in Osttirol umgesetzt werden?
Die Unterstützung der forstlichen Maßnahmen im Schutzwald wirkt sich aufgrund der schwierigen Bringungslagen als wichtiger Motor aus. Aufgrund der notwendigen manuellen Arbeiten, wie z.B. in der Aufforstung, kann mit wenig Fördermitteleinsatz eine große Wirkung auch im Bereich der Beschäftigung erzielt werden. Ein großer Teil der forstlichen Förderungen von 2,16 Millionen Euro wurde im letzten Jahr für die Verjüngungseinleitung (Seilkranbringung) und Durchforstung verwendet. Rund 300.000 Euro flossen in den Bereich Aufforstungen im Schutzwald, 100.000 Euro wurden für Waldpflegemaßnahmen und 300.000 Euro für den forstlichen Wegebau aufgewendet.

 

Wenngleich der Schadholzanteil durch Borkenkäfer in Osttirol im Vorjahr deutlich zurückgegangen ist, wird diese Problematik die Forstexperten auch 2018 beschäftigen.

 

Von 2015 auf 2016 hat die Schadholzmenge durch Borkenkäfer zugenommen. Wie verlief die Entwicklung zuletzt?
2017 ist der Schadholzanteil durch Borkenkäfer deutlich – von 28.600 m³ auf 15.800 m³ – zurückgegangen, also um nahezu die Hälfte. Bei einem Ausblick auf 2018 sollte beachtet werden, dass die meisten Borkenkäfer im Boden überwintern. Nachdem heuer der Waldboden unter einer dicken Schneedecke liegt, die isolierend wirkt, wird die Kälte dem Käfer kaum etwas anhaben. Wir werden uns also auch weiterhin intensiv mit dieser Problematik zu beschäftigen haben.

Neben der Temperatur sind Borkenkäfer auch vom Vorhandensein bruttauglichen Materials abhängig. Was ist konkret damit gemeint?
Fällt frisches Holz durch Windwürfe oder Schneebrüche an, dann spricht man von bruttauglichem Material. Kommt es aufgrund eines zu hohen Anfalls dieses Materials zu einer Massenvermehrung des Borkenkäfers, dann werden zuerst geschwächte und später auch gesunde Bäume angefallen. Die wirksamste Gegenmaßnahme ist es daher, bruttaugliches Material so schnell als möglich aus dem Wald zu entfernen. Ist es bereits zu einer Massenvermehrung gekommen, setzen wir auf eine bewährte Methode, den Käfer im Frühjahr „zu fangen“: Dazu werden in der Nähe von Befallsbereichen gesunde Bäume geschlägert und liegen gelassen. Der Käfer bohrt sich in das geschlägerte Holz ein. Bevor der Käfer wieder ausfliegt, wird das Holz aus dem Wald transportiert und so die Zahl der Käfer im Wald deutlich reduziert.

Früher spielten Borkenkäfer über 1.000 Meter Seehöhe keine Rolle. Seit wann hat sich dies geändert?
Die jeweiligen Temperaturaufzeichnungen zeigen deutlich, dass ab Beginn der 80er-Jahre die mittlere Temperatur angestiegen ist. Damit dürfte wohl auch die Verbreitung der Borkenkäfer in höheren Lagen einhergehen.

Sind Pilzerkrankungen im Osttiroler Wald von Bedeutung?
Pilzerkrankungen treten zwar auf, sind aber kaum Ursache dafür, dass es größere Waldschäden gibt. Sturmereignisse und Borkenkäfer, die durch die Klimaerwärmung zunehmend in höhere Lagen hinaufwandern, sind hauptverantwortlich für die Waldschäden im Jahre 2017.

 

Im Bezirk Lienz wird man in den nächsten Jahren intensiv daran arbeiten müssen, die Wilddichte zu reduzieren.

 

Thema „Wald & Wild“: Was gibt es in diesem Zusammenhang aus dem Vorjahr zu berichten?
Prinzipiell ist festzuhalten, dass wir in Osttirol auf die gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und auf eine dem natürlichen Lebensraum angepasste Jagd mit ortskundigen, einheimischen Jägern setzen. Was die Abschussquote betrifft, zeigt sich folgendes Bild: Beim Rotwild wurde der Abschussplan 2017 zu 100 Prozent erfüllt. Das ist aber auch notwendig! Der heuer schneereiche und kalte Winter zeigt nämlich leider, dass die Rotwildpopulation stark zugenommen und eine Höhe erreicht hat, die zu starker Sorge Anlass gibt. Es muss in den nächsten Jahren intensiv daran gearbeitet werden, die Wilddichte zu reduzieren. Wir in Osttirol sollten die Chance nutzen und nicht die gleichen Fehler machen wie in anderen Regionen, wo es zu einer starken Aufhege des Rotwildes gekommen ist.

Womit sind Sie und Ihr Team aktuell am meisten beschäftigt?
Neben der Erstellung von Gutachten für Verwaltungsverfahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Planung zahlreicher forstlicher Maßnahmen (Aufforstungen, Pflegemaßnahmen, Holznutzungen, Wegebau etc.) in Zusammenarbeit mit den vielen Waldbesitzern. Auch im Winter wird zwar eingeschränkt, aber doch bei Durchforstungen oder Holznutzungen im Wald gearbeitet.

Danke für das Gespräch!

 

Text: Redaktion, Fotos: Fotolia, Osttirol heute, BH Lienz/BF Osttirol

20. März 2018 um