Ausnahmekünstler mit Osttiroler Wurzeln

In der Spitalskirche ist bis 19.8. eine Ausstellung zu sehen, die, aus Anlass des 60. Geburtstages, Werke Michael Hedwigs und die Arbeiten zweier Freunde zeigt.

Ein echtes „Geburtstagsgeschenk“ nennt Michael Hedwig die Schau in der Spitalskirche. „Die Idee, zwei Kollegen einladen zu dürfen, um über sie, quasi das begleitende Umfeld, meine Künstlerpersönlichkeit besser fassbar werden zu lassen, hat mir auf Anhieb gefallen. Ich habe mich für Andy Chicken und Wolfgang Pavlic entschieden, mit denen mich seit unseren gemeinsamen Studienjahren bei Prof. Lehmden eine langjährige Freundschaft verbindet.“

 

 

Das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien hat den gebürtigen Osttiroler, wie er erzählt, in künstlerischer Hinsicht stark beeinflusst und die ihm bis heute ganz eigene Künstlersprache geformt. „1974 wurde ich als damals 17-Jähriger und einer der jüngsten Studenten in die Meisterschule Prof. Anton Lehmdens aufgenommen. 1980 hielt ich nach intensiven Lehrjahren mein Diplom in Händen und wurde einige Jahre später mit dem Österreichischen Grafikpreis ausgezeichnet.“

Diesem ersten, wichtigen Preis sind inzwischen viele weitere gefolgt. Heute ist der Maler und Grafiker längst international be- und anerkannt. An seiner sympathischen, bescheiden-ruhig wirkenden Art, seinen Mitmenschen zu begegnen, hat dies offensichtlich nichts geändert. Michael Hedwig strahlt viel von jener Kraft und Ruhe aus, die es auch in seinen Bildern und Grafiken zu entdecken gilt.

 

In der Spitalskirche in Lienz sind neben einem großen Fries (Graphit auf Fabriano) und einem Faltbuch mit Texten von Karin Peschka auch aktuelle Leinwandbilder zu sehen. Die Ausstellung steht unter dem Motto „Rückblick und Vorschau“, eine zweite – in der Galerie 9900 in Lienz – trägt den Titel „back to the future.“ Die rege Ausstellungstätigkeit in Lienz in diesem Sommer rundet die Beteiligung an „Hin und retour 2“, einer Veranstaltung des Club Osttirol in Wien und des Kulturamtes der Stadt Lienz, ab.

 

 

Körper und Körperlichkeit in variierenden Konstellationen und Facetten ziehen sich durch das ausdrucksstarke Werk Hedwigs. Man muss sich, jenseits der oberflächlichen Betrachtung, auf seine Arbeiten einlassen, um erkennen zu können, dass es ihm vorrangig nicht um das Eindimensionale, das Singular, sondern um ein Plural an Ebenen und Formen von Gemeinschaftlichkeit geht. „Seine Körper agieren und produzieren“, wie es der Grazer Universitätsprofessor Hans-Walter Ruckenbauer einmal so treffend formuliert hat, „in ihren Verschränkungen einen sozialen Sinn. Sie sind einander zu-, über- und nebengeordnet.“ Reduziert wie seine bildlichen Motive ist auch die Farbauswahl: Rot- und Brauntöne in allen Intensitäten dominieren, Schwarz bildet den Kontrast. Erst in den letzten Jahren sind auch die Farben Blau, Grün oder Gelb in Hedwigs Bildern stärker in den Vordergrund getreten.

 

Michael Hedwig: Selbstbildnis mit Familie

 

Die Themen Mensch & Gemeinschaft und die Vision von Humanität beschäftigen ihn, wie er im Journal-Gespräch erklärt, seit seiner Jugend. „Meine Herkunft aus einer Großfamilie, das Aufwachsen in einer Gruppe, war sicherlich prägend. Als neuntes von zehn Kindern konnte ich meine Kindheit in einem gut funktionierenden Familienverband erleben.“ Hedwigs Mutter, eine geborene Mair und begeisterte Wirtshaus-Pächterin, stammte aus Nußdorf-Debant, sein Vater aus Siebenbürgen. Die Familie lebte u.a. in St. Jakob i.Def., in Dölsach und Lienz.

Tiefe, schmerzhafte Spuren hinterließen der frühe Unfalltod eines älteren Bruders und der bald darauf folgende Tod des Vaters, von Beruf Mineur. „Die unmittelbare Konfrontation mit Leid und Tod hat mich sicherlich dazu bewegt, die Antworten auf viele Fragen des Lebens noch mehr als vorher im künstlerischen Ausdruck zu suchen“, erläutert der 60-Jährige. „Neben der Darstellung von Harmonie und Balance in verschiedenen Ebenen von Gemeinschaft schwingt deshalb im Hintergrund wohl immer auch das Leiden bzw. die Überwindung des Leidens als Thema bei mir mit.“

Freundschaft und Familie sind dem Vielbeschäftigten, der neben seiner intensiven Arbeit und Ausstellungstätigkeit auch an der Akademie der Bildenden Künste unterrichtet, sehr wichtig. Michael Hedwig ist Vater von drei Kindern. Gemeinsam mit seiner Frau Simina Badea und dem jüngsten Sohn lebt er in Wien. „Heimat ist dort, wo meine Familie ist, wo ich mich wohlfühle. Es ist das, was ich in mir trage und wo ich meine Wurzeln spüre.“ Auf die Suche nach diesen, seinen Wurzeln – väterlich-, wie mütterlicherseits – hat sich Michael Hedwig in den vergangenen 15 Jahren wiederholt begeben. „Die Familie meiner Mutter lässt sich zeitlich weit und geographisch bis nach Südtirol zurückverfolgen. Mein Großvater, als `Lodenwalker Anda` bekannt, war auf einem Bauernhof in Obernußdorf zu Hause.“ Unglaublich berührend sei es für ihn, wie er sagt, gewesen, in Honigberg (früheres Siebenbürgen/heutiges Rumänien) vor dem Familiengrab seiner Vorfahren väterlicherseits zu stehen. „Ich spürte erstmals eine Seite des eigenen Ichs, die ein ganzes Leben lang ein Geheimnis war.“ Das Bewusstsein für die eigenen Wurzeln will er, so Hedwig abschließend, auch bei seinen Kindern wach halten. „Vor Kurzem waren meine Schwiegereltern, die – welch Zufall – auch aus Rumänien stammen, bei uns zu Hause zu Besuch. Unser siebenjähriger Sohn spricht fließend Deutsch und Rumänisch – das finde ich sehr wichtig!“

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Brunner Images, Martin Lugger, M. Hedwig

02. August 2017 um