Sepp Brandstätter kultiviert den Urmais

Beseelt von der Idee einer komplett glutenfreien Landwirtschaft baut Sepp Brandstätter in Würmlach (Gemeinde Kötschach-Mauthen) uralte Maissorten an.

Er war schon fast ausgestorben, der „Gailtaler Weiße Landmais“, als ihn Sepp Brandstätter vor etwa 20 Jahren wiederentdeckte. „Ich habe mich damals gefragt, was in unserer Region seit altersher angebaut wurde und stieß bei meinen Recherchen auf den gelben und weißen Landmais. Diesen kannte ich auch aus Erzählungen meines Vaters. Die alten Sorten mussten im Laufe der Zeit leider ertragreicheren Hybridsorten weichen“, erzählt der Landwirt aus Mauthen, der nebenbei auch als Bergführer mit Gästen in der heimischen Bergwelt unterwegs ist. Beflügelt von der Diplomarbeit eines deutschen Studenten zum Themenkreis „Alte Maissorten“ begann er das widerstandsfähige und absolut gentechnik- und glutenfreie Korn des „Gailtaler Weißen Landmaises“ auf seinen Feldern in Würmlach anzubauen.

 

 

„Zunächst haben wir in unserem Garten viel ausprobiert. Die Böden hier sind karg. Natürlich wäre es die einfachste Variante, mit der chemischen Keule zu arbeiten. Damit wollte ich jedoch von Anfang an nichts zu tun haben. Die Nährstoffe für unsere Böden stammen überwiegend von organischem Dünger. Den Stallmist lagern wir am Feld und verwenden ihn als Rottemist“, erklärt der Oberkärntner sein Verständnis von sauberem Anbau. Die Unkrautbekämpfung erledigt er, wie er sagt, mittels sauberem Pflügen, Eggen und Hacken. Der Mut zum Experiment brachte dem Gailtaler Landwirt 2004 den „Agrarius“ ein, eine Auszeichnung für außerordentlich innovative landwirtschaftliche Projekte.

 

 

Von Beginn an ließ sich Sepp seinen „Gailtaler Weißen Landmais“ EU-weit als Wort-Bild-Marke schützen. „Nachdem die EU ihre Geräte für die Messung von Glutenfreiheit auf unseren Mais kalibriert hat, muss ich wohl einiges richtig gemacht haben“, schmunzelt er. Auf seinen Feldern praktiziert Sepp eine Fruchtfolge mit drei Gliedern: Zuerst kultiviert er hier den Mais, dann wird ein Wintergetreidegemisch gesät. Das Wintergetreide baut der Landwirt mit einer Grasmischung als Untersaat an. Das mehrjährige Ackerfutter wird auch im zweiten und dritten Jahr genutzt. Eingeholt wird der Mais Ende September. „Das Saatgut ernten wir händisch, das Mahlgut mit Hilfe des Mähdreschers. Die Kolben werden in der Folge gefiedert und bis etwa Mitte Feber zur Lufttrocknung aufgehängt. Auch ein Satztrockner steht uns zur Verfügung“, beschreibt Sepp die weitere Verarbeitung.

 

Nach der Ernte werden die Kolben gefiedert, also bis auf die inneren drei alle Blätter entfernt.

 

Die hauseigene Mühle arbeitet mit zwei übereinander liegenden Mahlsteinen. Durch verschiedene Siebe können die Mehlsorten „grob“ und „fein“ ausgewählt werden. Auch das Maisgrieß wird in einer groben und feinen Form angeboten. „Zum Reinigen der Körner habe ich eine uralte Mühle in ihre Bestandteile zerlegt und wieder zu neuem Leben erweckt. Bis zum Mahlvorgang durchlaufen die Körner fünf Reinigungsstufen.“ Für die Verpackung des Mehls und des Grieses ist vor allem Sepps Frau verantwortlich, vermarktet werden die Produkte ab Hof und über das Internet. Auch die gehobene Gastronomie verwendet Brandstätters alte Urmais-Sorte, wie etwa Sissy Sonnleitner, die nicht weit von Sepps Hof ihr Spitzenrestaurant betreibt. Sie steuert auch Polenta-und Sterzrezepte bei, die auf den Verpackungen des„Gailtaler Weißen Landmaises“ zu finden sind.

 

In der hauseigenen Mühle werden die Maiskörner zu Mehl gemahlen. Sein Maismehl bietet Sepp Brandstätter in den Sorten „fein“ und „grob“ an.

 

„Sterz gilt in unserer Region als traditionelles Gericht, das früheren Generationen als Kraftspender diente. Fleisch war damals bekanntlich kaum verfügbar. Am einfachsten zubereitet wird Sterz, indem man Maismehl in einer Pfanne ,lindet’– also ohne Fett erhitzt – und kochendes Salzwasser langsam einrührt. Das schmeckt einfach köstlich“, so Sepp. Mit Stolz erfüllt ihn, dass das Gailtal zusammen mit dem Lesachtal zur weltweit ersten Slow Food Travel-Region avanciert ist. Im Rahmen von Führungen können Interessierte auf Sepps Bauernhof viel über den Landmais erfahren, mit Meisterköchinnen lokale Spezialitäten zubereiten, die Wege des Brotes aufspüren, Almsennereien besuchen oder in der Biermanufaktur Loncium Brandstätters Nachbarn beim Bierbrauen zuschauen.

 

 

„Slow Food Travel bedeutet, zu den Wurzeln des guten Geschmacks zu reisen. Dabei kann man in unseren Betrieben echte, authentische Lebensmittel wiederentdecken und genießen. Ich betrachte das Wissen und die Erfahrung rund um alte Sorten, Anbaumethoden und Zubereitungsarten als Kulturgut, das wir mit Sorgfalt bewahren und an künftige Generationen weitergeben sollten“, hält Sepp Brandstätter abschließend fest.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol heute, Brandstätter

11. September 2017 um