Lehre in Osttirol: fit für künftige Herausforderungen

Digitalisierung und demographischer Wandel verändern die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung. Wir befragten Osttiroler Unternehmer zur aktuellen Situation.

„Karriere mit Lehre“ – dieser Slogan, der eigentlich aus den 1980er-Jahren stammt, soll, wenn es nach den Wünschen der österreichischen Bundesregierung geht, neu belebt werden. Am 8.3.2017 stellte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ein Lehrlings-Paket vor, welches die Lehre „fit“ für künftige Herausforderungen machen und auch imagemäßig eine Aufwertung bewirken soll. Dass die öffentliche Wahrnehmung zur Bedeutung der Lehre einer Verbesserung bedarf, bestätigt Michael Aichner, der Obmann der WK-Bezirksstelle Lienz, wenngleich er betont, dass … „die Lehre in der Praxis einen weit höheren Stellenwert genießt.“ Im Bezirk Lienz können junge Menschen aus einer Vielfalt an rund 90 Lehrberufen und Kombinationen auswählen. Aktuell absolvieren rd. 800 Lehrlinge in einem Osttiroler Unternehmen ihre Ausbildung.

Friedrich Wieser, Innungsmeister der Tischler in Osttirol, mit Daniel Walder, Lehrling im zweiten Lehrjahr

Zu jenen Betrieben, die sich in der Lehrlingsausbildung traditionell sehr engagieren, gehört die Bau- und Möbeltischlerei Wieser aus Strassen. Firmeninhaber Friedrich Wieser hat den 1963 gegründeten Familienbetrieb vor 20 Jahren übernommen. Seit mehr als 10 Jahren ist er auch als Innungsmeister der rd. 80 Tischlereien in Osttirol tätig. „Wir beschäftigen aktuell 30 Mitarbeiter, davon vier Lehrlinge. Meine Erfahrung als Lehrlingsausbildner ist eine durchwegs positive. Ungeachtet von Herausforderungen, die natürlich damit verknüpft sind, ist es eine sehr schöne Erfahrung, jungen Menschen einen Beruf, das damit zusammenhängende Wissen und Können zu vermitteln und zu sehen, wie sich der Einzelne in diesen Jahren auch in seiner Persönlichkeit weiterentwickelt.“ Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind, so Friedrich Wieser, in den letzten Jahren „nicht immer zum Vorteil der Ausbildung“ verändert worden. „Der Schutz der Lehrlinge ist wichtig, keine Frage. Ob es allerdings sinnvoll ist, dass die Jugendlichen im ersten Lehrjahr praktisch nur Hilfstätigkeiten verrichten dürfen, sei dahingestellt. So nimmt man jungen Menschen, die einen Beruf erlernen wollen, relativ schnell sehr viel an Motivation.“ Die Frage, ob der Tischlerberuf angesichts zunehmender Digitalisierung Bestand haben wird, beantwortet der Pustertaler Unternehmer mit einem deutlichen „Ja”. „Tischler zu sein, bedeutet ehrliches Handwerk, unterstützt durch moderne Techniken und Geräte. Die Digitalisierung vieler Bereiche forciert anonyme Waren von der Stange. Die Nachfrage nach individuell erzeugten, echten Produkten wird aber, davon bin ich überzeugt, auch in Zukunft gegeben sein.“

Ing. Erwin Flatscher, Innungsmeister der Installateure in Osttirol

Als Osttiroler Innungsmeister der Installateurbetriebe fungiert seit 20 Jahren Ing. Erwin Flatscher, Inhaber der Lienzer Firma Haustechnik Flatscher. Er informiert, dass sich die duale Ausbildung in seiner Branche in den letzten Jahren insofern geändert hat, als dass sich die Lehrlinge im Rahmen eines modularen Systems nach einer Grundausbildung auf bestimmte Bereiche, wie z.B. Heizungstechnik, Badgestaltung oder Steuer- und Regeltechnik, spezialisieren können. „Osttirolweit gibt es derzeit“, so Erwin Flatscher, „28 Installationsbetriebe, die rd. 40 Lehrlinge ausbilden.“ Seine persönlichen Erfahrungen als Lehrherr sind sehr gut: „Die jungen Menschen aus der Region erweisen sich als motiviert und verlässlich. Der Osttiroler Menschenschlag gilt nicht ohne Grund als fleißig und strebsam, weshalb Facharbeiter aus dem Bezirk auch in Nordtirol oder in anderen Teilen Österreichs sehr gefragt sind!“ Hinsichtlich der Digitalisierung seien, so der Innungsmeister, neue Trends und Veränderungen im Bereich der Haus- und Heizungstechnik schon längst Realität. „Heute kann man mit einer App das eigene Haus überwachen, die Temperaturen ablesen, die Heizung ein- oder  ausschalten u.v.a.m. Daraus ergeben sich natürlich auch neue Anforderungen in Hinsicht auf die Lehrlingsausbildung. Diesen tragen wir in unserer Branche laufend Rechnung.“

Baumeister Ing. Armin Bachlechner, Bau-Innungsmeister für den Bezirk Lienz

Von einer durchwegs guten Qualität der Lehrlinge aus Osttirol und dem angrenzenden Oberkärnten spricht Baumeister Ing. Armin Bachlechner. Er zeichnet im Bezirk Lienz für die Landesinnung Bau verantwortlich. „In anderen Branchen mag es vielleicht aufgrund der demographischen Entwicklung zunehmend schwieriger werden, genügend Interessierte für eine Lehrstelle zu finden. Wir bemerken hier keine Probleme. Es gibt eher zu viele Bewerber“, so der Bezirksinnungsmeister, der die Anzahl der Bauunternehmen in Osttirol mit sieben beziffert. Wie er betont, hat sich die Ausbildung in der Baubranche in den vergangenen Jahren gewandelt. „Heute steht nicht mehr nur der Lehrberuf Maurer zur Wahl. Es gibt auch die Lehrberufe Tiefbauer oder speziell Schalungsbauer. In unserem Betrieb bilden wir jedoch ausschließlich Maurer aus.“ Wer einen Lehrberuf in der Baubranche ergreifen möchte, müsse sich, wie BM Ing. Bachlechner festhält, bewusst sein, dass die Tätigkeit mit schwerer körperlicher Tätigkeit, auch bei Wind & Wetter, verbunden ist. „Wichtig ist, dass man Freude an dieser Arbeit hat. Mit dem nötigen Fleiß und Ehrgeiz kann man im Anschluss an die Maurerlehre auch die Ausbildung zum Polier bzw. in der Folge zum Baumeister absolvieren. Damit sind auch ein beruflicher Aufstieg und bessere Verdienstmöglichkeiten verbunden. Die Digitalisierung hält sich am Bau noch in engen Grenzen”, so Armin Bachlechner. „Für den Büro bzw. Verwaltungsbereich gibt es am Markt schon verschiedene Möglichkeiten der Baudokumentation oder Apps, die z.B. den Polier in seiner Arbeit unterstützen. Wir setzen diese in unserem Betrieb derzeit noch nicht ein.“

DI Walter Frey, Bau-Innungsmeister-Stellvertreter für Osttirol

Als eine Branche, in der das Qualitätshandwerk nach wie vor im Vordergrund steht, bezeichnet auch DI Walter Frey vom Bauunternehmen Frey in Lienz den Sektor Bau. „Die Digitalisierung schreitet im Baubereich relativ langsam voran. Die Entwicklung, dass Mauern serienmäßig über 3D-Drucker hergestellt werden, steckt meiner Ansicht nach noch in den Kinderschuhen.“ Dementsprechend wichtig sei es, so DI Frey, der Lehrlingsausbildung auch in Zukunft einen besonderen Stellenwert zu geben: „In unserer Gesellschaft wird heute vielfach eine weiterführende Schulausbildung höher bewertet als die Lehre. Vergessen wird dabei aber die Tatsache, dass eine solide Facharbeiterausbildung nicht weniger gute Aufstiegs- und damit auch Verdienstmöglichkeiten eröffnet.“ Im familieneigenen Bauunternehmen werden zurzeit acht Lehrlinge ausgebildet, in der Fa. Frey Metalltechnik sind es drei. „Unsere Erfahrungen sind durchwegs positiv. Besonders freut es uns, dass unsere Lehrlinge auch bei Bewerben auf Landes- und Bundesebene immer wieder ausgezeichnete Ergebnisse erzielen.“ Als einen besonderen Pluspunkt sieht Walter Frey die Lehrlingskulturprojekte, die seit 2011 in Lienz über die Initiative „kunstkontakt“ durchgeführt werden. „Wir waren das erste Osttiroler Unternehmen, das sich an den Workshops beteiligt hat, die den jungen Menschen kreatives Arbeiten und Denken abseits ihres Berufsalltages ermöglichen. Gemeinsam mit Künstlern wurden z.B. Theater- oder Fotoprojekte umgesetzt, Drachen gebaut oder literarische Versuche gestartet.“

Franz Niedertscheider, Osttirols Innungsmeister für Kfz-Unternehmen, mit Techniker und Lehrling

Seit 17 Jahren ist Franz Niedertscheider vom gleichnamigen Autohaus in Lienz als Innungsmeister für die Kfz-Unternehmen in Osttirol im Einsatz. „In den insgesamt 28 Betrieben im Bezirk finden heute rd. 380 Mitarbeiter, davon 66 Lehrlinge, eine attraktive Arbeitsstelle. Ich sehe meine Aufgabe als Vertreter der Landesinnung so, dass ich als eine Art Vertrauensperson in verschiedenen Belangen, u.a. auch in der Lehrlingsausbildung, tätig bin. Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die Lehre absolut Zukunft hat. Allerdings muss sie wieder einen anderen, ihr angemessenen Stellenwert in der Gesellschaft erhalten. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass der `Meister` inzwischen dem `Bachelor` gleichgestellt wurde. Diese Aufwertung des Lehrberufes bzw. des Handwerkes im Allgemeinen war längst überfällig.“ Als einen positiven, nicht unwesentlichen Faktor in der Entscheidung junger Menschen für eine Lehre nennt der erfahrene Innungsmeister die Tatsache, dass der Heimatbezirk für viele Handwerker auch weiterhin Lebensmittelpunkt bleibt. „So kann die vielzitierte Landflucht hintangehalten werden!“ Angesprochen auf die Digitalisierung in seiner Branche meint Franz Niedertscheider, dass diese im Kfz-Sektor sehr rasch voranschreitet. „Neue Technologien verändern zunehmend auch die Anforderungen im beruflichen Alltag. Wenn man bedenkt, was das Auto heute bereits alles kann und welche Entwicklungen (Stichwort: autonomes Fahrzeug) unmittelbar bevorstehen, kann man erahnen, wie wichtig bereits eine fundierte Lehrlings-, aber auch eine laufende Fort- und Weiterbildung sind. Wir versuchen deshalb den jungen Menschen schon während ihrer Lehrzeit exaktes und sorgfältiges Arbeiten, möglichst viel Fachwissen und das Bewusstsein für ein lebenslanges Lernen zu vermitteln.“

Text: J. & E. Hilgartner, Fotos: Osttirol Journal, H. Kraner

16. März 2017 um