Ungewisse Zukunft für Osttirols Milchbauern?

Mit ihrer Milch verdienen viele Bauern schon lange nicht mehr genug, da der Milchpreis europaweit so tief gesunken ist, dass mancher nicht einmal mehr seine Kosten decken kann.

Es geht um die Existenz vieler. Die Politik sucht nach Wegen aus der Krise, ein Milchgipfel jagt den anderen. Eine nachhaltige und vor allem langfristige Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Wir haben bei Osttiroler Bauern, Funktionären und bei Politikern nachgefragt, wie sie die derzeit sehr angespannte Situation beurteilen.

Der Milchpreis befindet sich im Sinkflug. In Deutschland spricht man mittlerweile von einem Preis von 20 Cent je Liter, den der einzelne Bauer erhält, in Österreich liegt der Wert derzeit bei 27 bis 30 Cent je Liter. Damit erhalten heimische Bauern für konventionell produzierte Milch derzeit um rd. 30 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Nur der Bio-Milchpreis blieb bisher stabil. Voraussetzung für eine dauerhafte Existenzsicherung inklusive der Deckung notwendiger Investitionen wäre, wie Osttiroler Bauern, Funktionäre und Politiker unisono betonen, ein Milchpreis auf dem Niveau des Jahres 2014. Damals waren es noch mehr als 40 Cent.

Interessant ist, wo die Ursachen für den Milchpreisverfall liegen. Der Tiroler Landwirtschaftskammer-Bezirksobmann Ing. Konrad Kreuzer (links im Bild) sieht einen Hauptgrund darin, dass Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen. „Es wird insgesamt zu viel Milch produziert. Nachteilig hat sich vor allem das Ende der staatlichen Milchquotenregelung der Europäischen Union im April 2015 ausgewirkt. Damit hat sich der Staat nach 31 Jahren aus der direkten Mengensteuerung bei der Milcherzeugung zurückgezogen, mit der Folge, dass viele Bauern in der EU ihr Heil in einer höheren Produktionsmenge gesucht haben. Verschärft wurde die Situation zusätzlich durch das Russland-Embargo.“

Ähnlich argumentiert Bezirksbauernbund-Obmann LA Martin Mayerl, der auch die Stagnation am martinmayerl2 c tiroler bauernbund 4cchinesischen Markt als einen weiteren Faktor in der Abwärtsspirale des Milchpreises anführt. Er nimmt in seinen Ausführungen direkten Bezug auf die Situation im Bezirk. Hier ist im Jahr 2013 am Bauernhof noch ein Drittel des Konsumentenpreises angekommen, im April 2016 ist dieser Anteil auf nur mehr ein Viertel zurückgefallen.kuhathena martinlugger „Es haben sich aber nicht nur die Handelsspannen zu Ungunsten der Landwirte verändert. Die Dominanz weniger großer Lebensmittelkonzerne am Markt hat auch dazu geführt, dass durch Rabattaktionen und Lockangebote gesunde Milchprodukte entwertet werden.“

In Osttirol sind lt. Angaben der beiden Bauernvertreter derzeit rund 500 der insgesamt rd. 1.300 landwirtschaftlichen Betriebe auf die Milchproduktion spezialisiert. „Von diesen Betrieben werden nur knapp etwas mehr als 10 Prozent im sogenannten Vollerwerb geführt. Sieben Kühe zählt ein durchschnittlicher Milchbauer-Betrieb, die an die Molkerei gelieferte Durchschnittsmenge pro Jahr liegt bei rd. 44.000 Liter Milch. Ab 80.000 Liter pro Jahr kann ein Hof, der auch andere Einkünfte aus bäuerlicher Produktion erzielt, im Vollerwerb geführt werden. Nur wenige Betriebe im Bezirk Lienz erzeugen eine Jahresmenge von mehr als 300.000 Liter.“ Unisono betonen Konrad Kreuzer und Martin Mayerl, dass das Gros der Osttiroler Milchbauern in der Vergangenheit zukunftsorientiert und maßvoll gewirtschaftet habe und äußern die Hoffnung, dass die derzeitige Krise übertaucht und die Betriebe für zukünftige Generationen gesichert werden können. An der Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebe halten auch die Milchbauern Raimund Steiner aus Matrei i.O., Alfred Greil aus Dölsach und Franz Ortner aus Abfaltersbach fest.

Auf dem Hof von Raimund Steiner in Matrei i.O. werden ca. 300.000 Liter Milch pro Jahr produziert.

Raimund Steiners Betrieb in der Iseltaler Marktgemeinde umfasst rund 25 Hektar Grünland, die sich z.T. in Eigenbesitz befinden und teilweise gepachtet sind. Die 40 Milchkühe am Hof, der als reiner Milchbetrieb geführt wird, liefern eine Jahresgesamtmenge von ca. 300.000 Liter Milch. Der Tirolmilch-Funktionär für den Bezirk Lienz zeigt sich davon überzeugt, die aktuelle Lage meistern zu können, sieht die derzeitige Situation aber unzweifelhaft als große Herausforderung.

Der Stall vom Matreier Bauern Raimund Steiner

 

„Es gilt, möglichst effizient zu arbeiten und geplante Investitionen auszusetzen oder zu verschieben. Meine Überlegungen gehen auch dahin, auf Bio- oder Heumilchproduktion umzusatteln, weil damit etwa über die Produktionsschiene ´Zurück zum Ursprung´ ein höherer und kostendeckender Preis erzielt werden kann. Teile meines Betriebes habe ich schon umgestellt, es fehlen noch der Bau eines Laufstalles und die Umsetzung einer längeren Weidehaltung der Tiere von mehr als 120 Tage pro Jahr.“

55 Milchkühe liefern bei Alfred Greil in Dölsach im Jahr rund 500.000 Liter Milch.

Der Dölsacher Bauer Alfred Greil hat 55 Kühe, liefert mehr als 500.000 Liter Milch pro Jahr und zählt damit zu den größten Milchproduzenten Osttirols. Er zweifelt ebenfalls nicht an der Zukunft seines Betriebes, obwohl er den momentanen Preis als „existenzbedrohend“ bezeichnet, vor allem dann, wenn dieser noch weiter abfallen oder für Jahre so bestehen bleiben sollte.

Der Stall des Dölsacher Bauern Alfred Greil

„Auch wir setzen auf mehrere Standbeine, wie z.B. den Anbau der Qualität Tirol Speisekartoffel. Um vernünftig wirtschaften zu können, fehlen uns beim Milchpreis momentan circa 10 Cent. Die Nachfrage und der Preis sinken nicht nur in Österreich, sondern weltweit, und das hat natürlich auch Auswirkung auf den heimischen Markt. Ich selbst habe meine Felder in einer begünstigten Lage im Lienzer Talboden mit nur wenigen steilen Hängen. Aber auch mir stellt sich die Situation so dar, dass wir zurzeit nicht kostendeckend arbeiten. Wir überleben, weil wir keine großen Rückzahlungen haben. Für neue Investitionen, die mit Sicherheit in Zukunft getätigt werden müssen, reicht der erzielte Preis nicht aus.“

Franz Ortner ist Nebenerwerbsbauer in Abfaltersbach – seine 10 Kühe geben ca. 70.000 Liter Milch pro Jahr.

Etwas anders präsentiert sich die Situation für den Bauer Franz Ortner aus Abfaltersbach, der seinen Betrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet und hauptberuflich als Versicherungsfachmann tätig ist. Er verfügt über circa 8 Hektar Grünland, in seinem Stall stehen momentan 10 Milchkühe, die pro Jahr rund 70.000 Liter Milch geben. Ortner baut auch Mais an und bewirtschaftet 15 Hektar Waldfläche.

Im Stall von Franz Ortner aus Abfaltersbach

Er meint, dass die aktuelle Lage speziell für jene `brenzlig` sei, die sich nur auf die Milchproduktion spezialisiert und in den letzten Jahren auch großzügig investiert haben. „Der momentane Milchpreis ist sicherlich nicht als kostendeckend zu bezeichnen. Ob und wie wirtschaftlich ein Betrieb geführt werden kann, hängt aber auch von anderen Faktoren ab.“ Er nennt in diesem Zusammenhang etwa die Kosten für Pachtflächen sowie für Tiergesundheit und die damit zusammenhängende Lebensleistung pro Kuh.

Intensiv mit dem Thema Milch beschäftigt sich auch der Osttiroler Landtagsabgeordnete und Bauer Josef Schett aus Innervillgraten. Er hat im Tiroler Landtag einen Antrag mit dem Titel „Tourismus am Bauernhof“ eingebracht. Schett führt die derzeitige Misere auf die Abschaffung der Milchquote am 1. April 2015 zurück und meint, dass insbesondere dadurch der Milchpreis auf eine Talfahrt geschickt wurde. „Hoffnungen, die Milch in Drittländer wie China oder Russland liefern zu können, haben sich als Trugschluss erwiesen.“ Um einen nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden, fordert er konkret mehrere Schritte ein: „Die Förderung der Umstellung auf biologische Milchproduktion, eine Importbeschränkung von agrarindustriell hergestellten Futtermitteln, die Änderung der Zuchtziele in der Rinderzucht, die Modernisierung der Molkerei in Lienz, die Verarbeitung der Osttiroler Milch zu Weichkäsespezialitäten (Kooperation mit der Sennerei in Toblach) und eine Forcierung der landwirtschaftlichen Ausbildung hin zu noch mehr Nachhaltigkeit, Kooperation, Regionalität und Veredelung sowie Tourismus am Bauernhof.“

Die Politik auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene sieht der FPÖ-Kammerrat der Tiroler Landwirtschaftskammer, Josef Blasisker (links im Bild), aus Lienz gefordert. Er warnt vor einem „Tod auf Raten“ für viele Betriebe, wenn sich die Situation nicht entspannt. „Viele Milchbauern haben keine Finanzkraft mehr und können nicht mehr investieren.“ Dies werde sich, so Blasisker, mittelfristig auch auf andere Teile der Wirtschaft auswirken. Der Abwärtsspirale sei rasch entgegenzuwirken. „Jetzt rächt sich auch, dass die Mutterkuhhaltung keine ausreichende betriebswirtschaftliche Berücksichtigung fand. Ohne vernünftige, marktwirtschaftliche Regelung wird das Milchdrama mittelfristig nicht zu stoppen sein. Andere Hilfen, wie z.B. die Senkung der SV-Beiträge etc. können nur kurzfristig wirken. Das Russland-Embargo hat fatale Auswirkungen auf Landwirtschaft, Wirtschaft und Tourismus. Im Dreieck zwischen Handel, Verarbeitungsbetrieben und Produzenten sind die Bauern das schwächste Glied. Daher ist ein nationales Rettungspaket für mich unumgänglich!“

Text: J. Hilgartner, Fotos: Martin Lugger, Osttirol heute, Bauernbund Tirol, Dina Marina, Brunner Images

 

19. Juni 2016 um