Bogenschießen: Von der Kunst des Loslassens

Bogenschießen ist nicht nur eine sportliche Betätigung. Wie man damit auch Körper, Geist und Seele in Einklang bringen kann, erzählten uns Mitglieder des HSV Lienz.

Es ist ein wunderschöner, weiträumiger Platz mitten in der Natur, an dem der HSV Lienz seine Bogensport-Anlage inklusive Parcours betreibt. Kinder, Jugendliche und Erwachsene finden hier am Iselsberg optimale Bedingungen vor, um mit Pfeil und Bogen zu trainieren. „Der Heeressportverband hat den Bogensport in Osttirol etabliert. 2001 wurde die Sektion Bogensport des HSV Lienz gegründet. Das erste Trainingsgelände befand sich am Kreithof“, berichtet Obmann Walter Seiwald. Aktuell gehören dem Verein etwa 100 Mitglieder an. „Der Bogensport boomt und ist keineswegs nur eine Männerdomäne. Etwa die Hälfte unserer Mitglieder sind Frauen und Kinder. Unser ältestes Mitglied ist 86 Jahre alt.“

 

Franz Reinprecht gehört derzeit zum Kreis der besten Turnierschützen beim HSV Lienz/Sektion Bogensport.

 

2007 konnte der Verein zum ersten Mal die Österreichischen Staatsmeisterschaften nach IFAA in Osttirol austragen. Besonders stolz ist man auf Andrea Wallensteiner, die sich 2003 in Italien zur Weltmeisterin küren konnte und als Aushängeschild des Vereins sowie als Vorbild für die Jugend gilt. Franz Reinprecht, Reinhard Kogler und Johann Stern sind derzeit die erfolgreichsten Turnierschützen des HSV Lienz/Sektion Bogensport. Mehrfach konnten sie bereits Staatsmeistertitel nach Osttirol holen. Reinhard Kogler und Johann Stern erkämpften sich 2017 auch eine Bronzemedaille bei den Europameisterschaften, ab 2018 sind sie im österreichischen B-Nationalkader mit von der Partie.

 

 

Im Gespräch mit den Bogenschützen stellt sich schnell heraus, dass es kein allgemeingültiges Rezept für den Erfolg gibt und dass jeder Bogensportler einen anderen Weg verfolgt. „Für mich ist ein Schuss dann perfekt, wenn er technisch hohen Ansprüchen entspricht. Darüber hinaus spielen unzählige andere Einflussfaktoren eine Rolle. Die Palette reicht vom Standort, über das Wetter bis hin zur körperlichen und seelischen Tagesverfassung“, meint Reinhard Kogler. Johann Stern berichtet, dass er intuitiv schießt und dass es ihm beim Bogenschießen um das Spüren und den Genuss des Augenblicks geht. „Vor einigen Jahren litt ich an einer schweren Depression. Durch Zufall lernte ich die Faszination des Bogenschießens kennen. Der Sport hat mir geholfen, mich aus meinem seelischen Tief zu befreien. Ich denke, dass das Bogenschießen viel mit dem Loslassen zu tun hat. Es ist eine ideale Freizeitbeschäftigung, um Körper, Geist und Seele wieder in Einklang zu bringen. Durch das Bogenschießen habe ich gelernt, mir selbst wieder zu vertrauen“, betont er.

 

Kinder, Jugendliche, Erwachsene – das Bogenschießen ist vor allem auch eine generationenübergreifende Sportart.

 

Für Walter Seiwald steht die Konzentration im Vordergrund. „Wenn ich während des Schusses an etwas anderes denke, schieße ich garantiert am Ziel vorbei. Ich schätze bei unserem Sport insbesondere auch die beruhigende Wirkung“, sagt er. Der Bogensport sei für ihn aber auch ein Familiensport, der nicht nur bei Kindern die Persönlichkeitsentwicklung fördern könne. „Obwohl es sich um einen Einzelsport handelt, liegt der Fokus auf Werten wie Kameradschaft und Zusammengehörigkeit. Man fühlt sich als Bogenschütze wie in einer Großfamilie. Und weil Fünfjährige diese Sportart ebenso ausüben können wie 86-Jährige, kann man sie durchaus auch als generationenverbindend bezeichnen“, lobt der Vereinsobmann weitere positive Aspekte des Bogensports.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Brunner Images

04. November 2017 um