Natura 2000-Debatte kocht wieder hoch

Vor dem Hintergrund des kürzlich von der EU-Kommission übermittelten Forderungskataloges flammt die Natura 2000-Diskussion tirolweit wieder auf.

Die offizielle „Mängelliste“ der Europäischen Union, die Anfang Oktober an das Land Tirol übermittelt wurde, weist gegenüber der Nachnominierungsforderung aus dem Frühjahr 2017 keine großen Änderungen auf. Rund 70 zusätzliche Lebensraumtypen seien in Tirol auszuweisen, zahlreiche offene Fragen noch zu klären. Wenig Freude mit dieser Post aus Brüssel dürfte Landeshauptmann Günther Platter (VP) haben, der in den vergangenen Monaten bis hin zum Kommissionspräsidenten interveniert und sich klar gegen weitere Natura 2000-Schutzgebiete ausgesprochen hat. Bände spricht hingegen die Haltung der Tiroler Landeshauptmann-Stv. Ingrid Felipe (Grüne), die erklärte, sich für eine ernsthafte Prüfung der Nominierungsforderung einsetzen zu wollen und hervorhob, dass eine intakte Natur in Tirol ein gemeinsames Anliegen aller sein müsse. Ingrid Felipes Aussagen wurden u.a. von WWF-Sprecher Christoph Walder und vom Tiroler Wirtschaftsbund-Obmann Franz Hörl kommentiert. Während der WWF Felipe zu mehr Mut anspornte, sich für den Schutz der bedrohten und wertvollen Natur einzusetzen, forderte Hörl in einer Aussendung, dass Felipe ihre Regierungsverantwortung anstelle ideologischer Eigeninteressen in den Mittelpunkt stellen solle. Sie müsse sich jetzt entscheiden, ob sie ein gemeinsames Spiel mit der EU spielen oder mit Tirol für eine ausgewogenen Balance zwischen Schutz und Nutzung kämpfen wolle.

 

Die Schwarzach mit Blick auf Oberrotte im Gemeindegebiet von St. Jakob i.D.

 

Auch aus dem Bezirk Lienz, in dem bekanntlich das Ufergehölz „Deutsche Tamariske“ eine Rolle spielt, meldeten sich Vertreter der betroffenen Regionen zu Wort. Nationalrat Gerald Hauser teilte in seiner Aussendung mit, dass er weitere Natura 2000-Ausweisungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen werde. Er lehne ein „Drüberfahren“ über die Bevölkerung bei Natura 2000 ab. „Wir brauchen Natura-freie Flächen zum Wirtschaften!“ Ohne mit der betroffenen Bevölkerung zu reden, sei im Jahr 1995 der gesamte Nationalpark Hohe Tauern Tirol unter Natura 2000-Schutz gestellt worden, so der FP-Politiker. Gerald Hauser ortet ein Versagen der Tiroler Landesregierung, weil diese … „politische und nicht fachliche Natura 2000-Ausweisungen vorgenommen hat.“

Dass langfristig kein Weg daran vorbeiführe, in der Natura 2000-Frage exakte Gebietsabgrenzungen nach ausschließlich wissenschaftlich-fachlichen Kriterien vorzunehmen, stellte der Obmann des Planungsverbandes Iselregion und Matreier Bürgermeister BR Andreas Köll in den Mittelpunkt seiner Aussendung. Als Stimme aus der unmittelbar betroffenen Region nimmt er wie folgt zu den aktuellen Entwicklungen um Natura 2000 Stellung: „Ich kann berichten, dass wir uns mit Landeshauptmann Günther Platter in guten Gesprächen auch zum Thema Natura 2000 befinden. Wir haben mit Interesse verfolgt, wie Kommissionspräsident Jean Claude Juncker im heurigen Sommer unsere Position bestätigt hat. An geltendem EU-Recht auf der Basis bereits mehrfach vorliegender EuGH-Entscheidungen – was die darin penibel festgelegten, fachlichen Kriterien für exakte Gebietsabgrenzungen betrifft – hat sich nichts geändert. Wir haben dazu im Planungsverband, offensichtlich als eine von nur wenigen Regionen in Österreich, ausgezeichnete wissenschaftliche und europarechtliche Unterlagen ausarbeiten lassen, die durch parzellenscharfe Abgrenzungen auch kartografisch unterlegt sind. Diese liegen schon seit etwa drei Jahren auch in der Generaldirektion Umwelt in Brüssel auf. Mit diesen Expertisen glauben wir, fundierte Grundlagen für ein entsprechendes Verfahren vor dem EuGH zu haben, das wohl auch in vielen anderen österreichischen Regionen letztendlich unvermeidlich sein wird. Natura 2000 ist in einer nationalen Gesamtbetrachtung und Berechnung dort auszuweisen, wo dies bei gewissen Lebensraumtypen und Arten europarechtlich notwendig ist, oder eben nicht! Daran führt langfristig kein Weg vorbei und da haben wir im Iseltal – so glaube nicht nur ich – in einem EuGH-Verfahren ganz gute Karten!“

 

Text: Politikredaktion, Fotos: Geiserich77, Michael Kranewitter

14. Oktober 2017 um