Natura 2000: Repräsentative Umfrage vorgelegt

Die Bürgermeister der von einer mögl. Natura 2000-Ausweisung betroffenen Gemeinden fordern ein wissenschaftlich-fachlich fundiertes und nicht politisch-motiviertes Vorgehen.

Einigkeit und Entschlossenheit demonstrierten neun Bürgermeister des Iseltales bei einer Pressekonferenz in Lienz am Montagvormittag, 15.9. Zentrales Thema wie schon so oft in den vergangenen Monaten: Die drohende Natura 2000-Maximalausweisung der Iselregion mit Seitentälern und das Vorgehen der Landespolitik. Unmittelbarer Anlass: Die jüngsten Gespräche von LH-Stv. ÖR Josef Geisler, LR Mag. Johannes Tratter und Mitarbeitern der Umweltschutz-Abteilung des Landes Tirol mit politischen Vertretern der betroffenen Gemeinden in Osttirol. In ihrem Resümee zeigten sich die gewählten Gemeindevertreter besorgt, bestürzt, betroffen. Generell seien die Gespräche nicht konstruktiv abgelaufen. Man habe den Eindruck, dass die gesamte Isel von Prägraten bis Lienz Natura 2000-Gebiet werden müsse, weil ein Koalitionspartner der aktuellen Tiroler Landesregierung unter Druck seiner Basis und einiger NGOs stehe. Außerdem wurde erneut auch die Befürchtung geäußert, dass Osttirol einem politischen „Deal“ (mögliche Kraftwerke in Nordtirol bzw. Projekt Kalkkögel im Tausch gegen die Natura 2000-Maximalausweisung im Bezirk Lienz) geopfert werden solle.

Von nicht eingehaltenen Zusagen des Landes gegenüber den Bürgermeistern und der Bevölkerung der betroffenen Gemeinden sprach BR Bgm. Dr. Andreas Köll, der sich als Obmann des Planungsverbandes 34 gemeinsam mit seinen Bürgermeister-Kollegen schon seit längerer Zeit intensiv mit der Thematik auseinandersetzt. „Es handelt sich hier um eine sehr komplexe Materie mit sehr vielen Einzelaspekten“, so Köll, der erneut darauf verwies, dass der Planungsverband selbst einen Zonierungsvorschlag vorgelegt habe, der auf wissenschaftlich-fachlich fundierten Untersuchungen bzw. den Ergebnissen einer Studie basiere. „Es gibt Osttiroler Nationalparkgemeinden, die schon seit vielen Jahren mit Natura 2000 leben. Über den Nationalpark Hohe Tauern sind bei uns bereits über 600 km² Natura 2000-Gebiet ausgewiesen. Aus diesem Grund wissen wir auch genau, was Natura 2000 in der Realität bedeutet. Wir lehnen eine nicht-wissenschaftlich gerechtfertigte Ausweisung ab! Natura 2000 kann nicht politisch entschieden werden“, hielt der Matreier Bürgermeister fest.

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Entrüstet über das Agieren der Landespolitiker zeigte sich NR Mag. Gerald Hauser, Bürgermeister von St. Jakob, einer ebenfalls besonders von der möglichen Maximalausweisung betroffenen Osttiroler Gemeinde. „Der Ausweisungsvorschlag, der uns in St. Jakob vorgestellt wurde, schließt den gesamten Zentralraum von St. Jakob ein. Das ist genau jener Raum, den wir für unsere weitere wirtschaftlich-kommunale Entwicklung benötigen. Bereits jetzt sind 68,1 Prozent der Gemeindefläche unter Schutz gestellt, nun soll auch der Zentralraum hinzukommen. Wir werden niemals damit leben können, das ist für uns denkunmöglich!“, betonte der Politiker. „Ich sitze heute mit voller Überzeugung hier und stehe hinter dem Ausweisungsvorschlag des Planungsverbandes. Politische Geschäfte auf dem Rücken der Osttiroler Bevölkerung lehne ich ab. Wir kämpfen!“, so Hauser.

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Von einer Baustelle, die in Tirol vor 20 Jahren begonnen worden sei und sich heute als „Ruine“ präsentiere, sprach der Virger Bürgermeister Ing. Dietmar Ruggenthaler. „Ohne einen Plan, ohne Geld in die Hand nehmen zu wollen und ohne mit den Leuten zu reden, will man nun wieder an dieser Ruine weiterbauen“. Er präsentierte auch die vom Planungsverband in Auftrag gegebene Meinungsumfrage, die Ende August/Anfang September 2014 vom Market-Institut in elf Gemeinden des Iseltales durchgeführt wurde. „Wir wollten die  Stimmungslage in der Bevölkerung erkunden und wissen, ob wir mit unserem Vorgehen auf Zustimmung bei den Menschen vor Ort stoßen“. Auf Basis der Ergebnisse wisse man nun, dass die Diskussion um die Natura 2000-Ausweisung einem überwiegenden Prozentsatz (neun von zehn Personen) der befragten BürgerInnen bekannt sei. „Für drei Viertel ist die aktuelle Schutzgröße ausreichend. Nur knapp 27 Prozent sind für eine Ausweisung der gesamten Isel samt Seitenbächen, 68 Prozent lehnen dies ganz klar ab. 65 Prozent der Befragten sehen in der Ausweitung des Schutzgebietes eine Behinderung für die Wirtschaft und kaum Nutzen für die Region oder die Umwelt. Rd. 76 Prozent der Befragten orten einen politischen Deal hinter der Ausweisung und fast zwei Drittel wünschen sich eine Volksbefragung!“

Ihre Sorgen um die zukünftige Entwicklung ihrer Gemeinden und der gesamten Region angesichts der drohenden Maximalausweisung hielten auch die Bürgermeister von St. Johann, Schlaiten, Oberlienz, Prägraten und Ainet fest. Mag. Karl Poppeller, Bürgermeister von Ainet, hoffte, dass …„das letzte Wort noch nicht gesprochen sei“. Er ersuchte die Landespolitiker …„mit uns konstruktiv zu reden“ und betonte, dass er sich vom Land mehr Flexibilität hinsichtlich des Ausmaßes der geplanten Natura 2000-Nachnominierung gewünscht habe. Für die nächste Zeit erwartet man sich, wie in der Pressekonferenz zu erfahren war, nun Gespräche mit Landeshauptmann Günther Platter, u.a. gemeinsam mit dem Präsidenten des Tiroler Gemeindeverbandes, Mag. Ernst Schöpf. Sollte ein Konsens nicht möglich sein, denken die Bürgermeister Volksbefragungen an bzw. wollen mit Klagen bis hin zum Europäischen Gerichtshof gehen. Im Tiroler Landtag werden die FPÖ und die SPÖ die Natura 2000-Ausweisungen thematisieren. Außerdem bereiten Andreas Köll und Gerald Hauser parlamentarische Anfragen im Bundesrat bzw. im Nationalrat in Wien vor.

Text: J. Hilgartner, Fotos: www.osttirol-heute.at

16. September 2014 um