Wie Wildtiere der kalten Jahreszeit trotzen …

Wir haben Alexander Fercher auf einer Tour im Mölltaler Revier begleitet und viel Interessantes über das Wild und seine Überlebensstrategien im Winter erfahren.

Wenn es um Fragen rund um das heimische Wild geht, hat Alexander Fercher fachkundig und kompetent die Antworten parat. Seit über 20 Jahren betreut er als Forstwart und Jagdaufseher ein Revier in der Kreuzeckgruppe im Oberkärntner Mölltal. Über seine Firma „Natur verstehen“ bietet er zusätzlich Touren an, die Interessierten die Wunder der Natur, Pflanzen und Tiere näher bringen. Bei seinen Survival- und Bushcraft-Touren kann man lernen, die vorhandenen Ressourcen in der Natur und auch bei sich selbst zu nutzen. „Faktoren wie mentale und physische Stärke, Komponenten wie Improvisation, Motivation, Stressmanagement, Strategie, Geschicklichkeit und Teamgeist spielen dabei eine Rolle“, erklärt der Oberkärntner dazu.Bei den Wanderungen durch die alpine Winterlandschaft bezieht Alexander immer auch viel Wissenswertes über die Überlebensstrategien des Wildes in der kalten Jahreszeit in seine Ausführungen mit ein.

 

 

„Alle größeren Säugetiere wie Rehe, Hirsche oder Hasen bleiben auch in der frostigen Jahreszeit durchgängig aktiv. Um die kalten und nahrungsarmen Monate zu überstehen, schaltet ihr Organismus in eine Art ,Energiesparmodus‘ um, wobei die Körpertemperatur gesenkt und die Herzschlagfrequenz verringert wird. Die Tiere nehmen im Winter sehr viel weniger der sonst üblichen Futtermenge auf und zehren von den Fettreserven, die sie im Sommer und Herbst aufgebaut haben. Außerdem bewegen sie sich möglichst wenig und legen täglich längere Ruhezeiten ein. Werden Wildtiere im Winter zu energieraubenden Aktionen wie etwa einer Flucht durch tiefen Schnee gezwungen, schaltet ihr Körper vom Sparmodus auf körperliche Höchstleitung um, was sehr viel Kraft verbraucht. Dieser  Energieverlust schwächt die Wildtiere und macht sie anfälliger für Krankheiten. Auch werden durch Störungen Stresshormone ausgeschüttet, die gesundheitsschädigend sind. Häufige, durch unachtsame Spaziergänger, Wintersportler oder freilaufende Hunde provozierte Fluchten führen so nicht selten zum Tod durch Erschöpfung oder Verhungern. Denn der Kräfteverlust kann in der nahrungsknappen Winterzeit nicht durch vermehrte Futteraufnahme ausgeglichen werden!“

 

 

Wie der erfahrene Forstwart weiß, dehnt sich der besiedelte und verbaute Raum auch in unseren Breiten zunehmend aus, was den natürlichen Lebensraum des Wildes mehr und mehr eingrenzt. „Dadurch schwinden auch die Möglichkeiten, die das Wild für die jahreszeitlich bedingten Wanderungen benötigt.“ Umso wichtiger sei es, so Fercher, dass Menschen, die im Winter in freier Natur unterwegs sind, auf die Bedürfnisse des Wildes Rücksicht nehmen. Er selbst steigt in den Monaten November bis etwa Mitte April ein- bis zweimal pro Woche zu den Futterstellen auf etwa 1.700 Metern Seehöhe auf, um das Wild mit Raufutter, also Heu, zu versorgen. Die überdachten Heuschober werden, wie er berichtet, nicht nur von Hirschen oder Rehen frequentiert. „Auch Marder wissen, wie ich anhand von Krallenspuren feststellen konnte, das warme Heu zu schätzen, einerseits als Schlafplatz, andererseits wegen der Mäuse. Diese halten sich bevorzugt im Bereich von Fütterungsstandorten auf. Sie überwintern im Heu, weil sie hier nicht nur einen warmen Platz, sondern auch Samenkörner finden. Die Mäuse ziehen wiederum Füchse an, die auf der Suche nach Futter regelmäßig ihre Streifzüge durch den Wald unternehmen. Ebenso wie die Marder suchen die Füchse auch nach verendetem Wild.“

 

Um Energie zu sparen, findet sich das Schalenwild im Winter im Rudel zusammen. Die Tiere spuren abwechselnd im Tiefschnee, um ihre Kräfte zu schonen. Übermäßigen Energieverbrauch kann sich im Winter kein Wildtier erlauben.

 

Weitere Tierspuren belegen, dass sich an den trockenen Plätzen rund um die Heuschober regelmäßig auch Hasen aufhalten. Wie das Federwild überwintert, erläutert der Oberkärntner am Beispiel der Raufußhühner: „Sie lassen sich bei Schneefall entweder knapp unter der Schneedecke einschneien oder graben sich bei extremer Kälte selbst eine Schneehöhle, in der sie besonders frostige Tage überstehen. Ansonsten ernähren sie sich von Beeren, Knospen oder Flechten.“ Viele Wildtiere würden bei großer Kälte und Schnee alte, sehr dichte Waldbestände bevorzugen, da dort die Schneehöhe meist geringer ausfällt und – was noch wichtiger ist – die Temperaturen um einige Grad höher liegen.

 

 

„Interessant ist auch, dass Reptilien, die von ihrer Umgebungstemperatur abhängig sind, im Winter in eine sogenannte Kältestarre fallen“, erzählt uns der Tourguide. Auf dem Weg von der Fütterungsstelle retour ins Tal kommen wir auch an einem Gebirgsbach vorbei – eine gute Gelegenheit, um über die Überlebensstrategien der Fische zu sprechen. „In der kalten Jahreszeit halten sich die Fische am Boden des Bachbettes auf, weil dort am Grund die Temperatur aufgrund einer Wasseranomalie bei vier Grad liegt. An der Oberfläche ist es meist kälter.“

 

Alexander Fercher: „Der besiedelte und verbaute Raum dehnt sich auch in unseren Breiten immer mehr aus. Dadurch schwinden auch die Möglichkeiten, die das Wild für die jahreszeitlich bedingten Wanderungen benötigt.“

 

Die geführte Wanderung (Informationen unter www.natur-verstehen.at) durch die verschneite Berglandschaft ist für uns ein besonderes, unmittelbares Naturerlebnis. Die Ruhe im Wald genießt, wie er sagt, aber auch Alexander Fercher selbst sehr. „Obwohl ich immer die gleiche Wegstrecke gehe, ergibt sich doch für mich jedes Mal ein neues Bild. Ich liebe es, die Natur in all ihren Facetten hautnah zu erfahren. Besonders schätze ich die Wildtierbeobachtung, wobei mir immer mehr bewusst wird, dass wir Menschen nicht das eigene Naturerlebnis, sondern den Respekt vor dem natürlichen Lebensraum der Wildtiere in den Vordergrund stellen sollten!“

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Fotolia.com (alfredografie, Rudolf, serikbaib, jimcumming88, Photohunter), Osttirol heute

17. Dezember 2017 um