Gottfried Unterrainer: Falkner aus Leidenschaft

Der Iseltaler ist geprüfter Beizjäger und Falkner und hat die dafür erforderlichen Prüfungen und eine intensive Ausbildung absolviert. Beruflich engagiert er sich seit 16 Jahren im Holzbau.

Ein Wohnhaus in Matrei i.O. – auf den ersten Blick ähnelt es vielen anderen schönen Eigenheimen in der Region. Ein zweiter Blick in den Garten verrät aber eine außergewöhnliche Besonderheit: In einer Voliere, einem Gehege im Freien, leben zwei Steinadler, die Gottfried Unterrainer als erfahrener Falkner hegt und pflegt und mit ihnen der Jagd nachgeht. Schon in seiner Kindheit hatte der heute 41-Jährige, wie er uns bei unserem Besuch erzählt, eine ganz besondere Beziehung zu Tieren. In einer Zeit aufgewachsen, die noch nicht wie die heutige derart massiv von Computern, Hochtechnologie und Vollautomatisierung geprägt war, stellte das unmittelbare Natur- und Tiererlebnis noch etwas Alltägliches und Normales dar. Schon damals erfasste den Matreier die von Greifvögeln ausgehende Faszination, die ihn bis ins Erwachsenenalter nicht mehr losließ. Als er vor sieben Jahren durch Zufall Näheres über die Arbeit eines Falkners erfuhr, entschloss er sich, die dafür erforderliche Falknerprüfung in Kärnten zu absolvieren und sich aus der Fachliteratur umfassendes Wissen anzueignen. Viele Informationen und praktische Anleitungen zur Falknerei, zur Haltung und Jagd mit Greifvögeln erhielt er vom Lienzer Michael Eder. Beide sind heute die einzigen aktiven Beizjäger in Osttirol.

 

 

Gottfrieds erster Greifvogel war ein europäischer Habicht. Später arbeitete er mit einem amerikanischen Wüstenbussard, mit Rotschwanzbussarden, einem Gerlaner Falken und zuletzt mit einem Finnenhabicht. Seit zwei Jahren hält er „Flora“ und „Artus“, zwei prächtige Steinadler. „Die Haltung von Greifvögeln erfordert viel Sachkunde, Wissen und Hingabe und die exakte Einhaltung gesetzlich geregelter Bestimmungen“, betont er. „Mit Ausnahme von Züchtern ist die Haltung auf insgesamt zwei Vögel je Falkner beschränkt.“ Täglich verbringt der Iseltaler mindestens zwei Stunden mit und bei seinen beiden Adlern, in der Jagdsaison von September bis Jänner sind es oft auch wesentlich mehr. Für falknerisch gehaltene Tiere muss außerhalb der Balz- und Mauserzeit eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit durch Freiflug, mindestens jeden zweiten Tag, sichergestellt sein. Gottfried Unterrainer  arbeitet mit seinen Tieren jeden Tag!

 

 

Die Beziehung zu „Artus“ und „Flora“ ist ihm, wie man ihm deutlich anmerkt, sehr wichtig. „Nur wer ein Tier kennt und liebt, kann es auch schützen!“, sagt er. Das Abtragen und Abrichten sowie Einjagen eines Beizvogels durch den Falkner ist ein sensibler Prozess, in dem sich der Greifvogel nur langsam und mit positiven Erfahrungen und Belohnungen an den Menschen gewöhnt. Viel Geduld und Einfühlungsvermögen von Seiten des Tierhalters sind gefordert. Ungefähr sechs Monate dauert es, bis man ein eingespieltes Team ist.

 

 

„Man sollte gegenüber einem Adler nie Angst zeigen, sehr wohl aber Respekt haben. Adler sind gefährliche Tiere. Sie können einen Menschen schwerst verletzen, etwa indem sie sich mit ihren Krallen im Halsbereich festhaken!“ So ist es auch nicht verwunderlich, dass Gottfrieds Frau Nicole und seine Kinder die Voliere nie betreten.

 

 

Einmal am Tag werden die Adler mit hochwertigem Fleisch von Hasen, Wild oder Geflügel versorgt. Steht ein Jagdtag an, dann dürfen die Tiere zur Erhaltung ihrer Beutefangbereitschaft ca. 24 Stunden vorher nicht gefüttert werden. Zur natürlichen Beute von Steinadlern gehören Murmeltiere, Füchse, Feldhasen und Rehkitze, die Tiere können aber auch auf eine bestimmte Beuteart abgerichtet werden. Die Murmeltierjagd, die Gottfried mit „Artus“ und „Flora“ ausübt, trainiert er mit Attrappen. „Das Gelingen einer echten Jagd bleibt jedoch immer von den Adlern abhängig. Wenn ein Adler nicht jagen will, kann ihn nichts und niemand dazu bewegen!“

 

 

2014 wurde, wie der Iseltaler informiert, die Falknerei, auch Beizjagd genannt, als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt: „Obwohl die Kunst des Jagens mit Raubvögeln mindestens 3500 Jahre alt ist, sind die Grundprinzipien im Kern bis in die Gegenwart herauf die gleichen geblieben. Dschingis Khan (1162-1227) hat die Falknerei einst perfektioniert, auf den Stauferkaiser Friedrich II. (1194-1250) geht die `Bibel der Beizjäger` mit dem Titel `Die Kunst, mit Vögeln zu jagen` zurück. Heute ermöglichen uns der technische und medizinische Fortschritt sowie die ethologischen Kenntnisse aber auch eine dem Tierschutzgedanken Rechnung tragende Praxis.“

Die Betonung, dass die Falknerei kein normales Hobby darstellt, wie es etwa andere Tierhaltungen sind, ist Gottfried abschließend noch einmal sehr wichtig. „Hier handelt es sich um keine Modeerscheinung, der man sich mal ebenso hingibt, sondern um die meistkontrollierte Tierhaltung überhaupt. Ich sehe die Falknerei als eine Lebenseinstellung und Philosophie, die sich aus der inneren Verbundenheit mit dem Geschöpf Greifvogel ergibt. Nur wer die Falknerei ernst nimmt, sollte sie überhaupt in Erwägung ziehen.“

 

Gottfried Unterrainer: Falkner aus Leidenschaft

 

Text: E. & J. Hilgartner, Fotos: Martin Lugger

03. August 2016 um