Europas Nachtwächter und Türmer trafen sich in Osttirol

Vom 25.-28.5. ging in Obertilliach das 32. Treffen der Europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft über die Bühne. Im Fokus standen Völkerfreundschaft und Brauchtumspflege. „Hört ihr Leut` und lasst euch sagen …“ – so schallte es einst durch die nächtlichen Gassen und Winkel mittelalterlicher Ansiedelungen. Mit dem Aufkommen der ersten größeren Städte entwickelte sich auch der Berufsstand des Nachtwächters und Türmers, der sich nach und nach über ganz Europa ausbreitete. Nachtwächter und Türmer hatten nachts für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, sagten teilweise die Zeit an („ … es hat eins geschlagen…“) und warnten die schlafende Bürgerschaft vor Feinden, Dieben und Feuern. Vor allem letzteres war angesichts der Tatsache, dass Holz lange Zeit das bevorzugte Baumaterial war, besonders wichtig.

Zur typischen Ausrüstung der Zunft gehören eine Laterne, ein Horn sowie eine Hellebarde bzw. eine ähnliche Stangenwaffe. Nachtwächter und Türmer hatten in früheren Zeiten das Recht, verdächtige Personen anzuhalten, zu befragen und notfalls auch festzunehmen.

Wenngleich sich die Aufgabenstellung bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen mechanischer Uhren zu verändern begann, verlor der Berufsstand doch erst ab der Wende zum 20. Jahrhundert – mit der flächendeckenden Einführung von Straßenbeleuchtungen und neuen Polizeigesetzen – nach und nach seine Bedeutung. In vielen europäischen Gemeinden und Städten wurde die Nachtwächter- und Türmer-Stelle schließlich abgeschafft.

Bereits zum zweiten Mal trafen sich in dem 700-Seelen-Dorf Obertilliach im Osttiroler Lesachtal Nachtwächter und Türmer aus ganz Europa. Dies freute den Obertilliacher Bürgermeister Matthias Scherer (links außen) ebenso wie Österreichs einzigen Nachtwächter, Helmut Egartner (Bildmitte) und Zunftmeister Johannes Thier.

Dass es heute – im 21. Jahrhundert und in Zeiten von Alarmanlagen und Rauchmeldern – trotzdem noch in über 60 Städten in 10 europäischen Staaten Nachtwächter und Türmer gibt, ist vor allem dem Bemühen vieler um die Pflege und Aufrechterhaltung dieser mittelalterlichen Tradition zu verdanken. Einen großen Anteil daran hat auch die „Europäische Nachtwächter- und Türmerzunft“, die 1987 in Dänemark gegründet wurde. Ihr gehören 63 Orte mit 157 Nachtwächtern und Türmern aus ganz Europa an. Aktive Vertreter der Zunft gibt es heute in Dänemark, Polen, England, in den Niederlanden, in Frankreich, in der Schweiz, in Tschechien, Deutschland und Österreich. Seit 30 Jahren versammelt man sich einmal jährlich beim „Europäischen Nachtwächter- und Türmertreffen“, das jeweils in einem anderen Heimatort der Mitglieder stattfindet.

1998 war die Osttiroler Gemeinde Obertilliach zum ersten Mal Gastgeber des „zünftigen“ Events. Die Tradition des Berufsstandes reicht in dem beschaulichen Lesachtaler Dorf mit altem Ortskern und wunderschönen Holzhäusern weit zurück. Mit Helmut Egartner, der seit vielen Jahren in dem Bergdorf seine Runden zieht, findet sich in Osttirol heute auch der einzige Vertreter dieser Zunft in ganz Österreich. Nicht nur er, sondern auch die Vertreter von Gemeinde und Tourismus freuten sich so auch sehr darüber, als bekannt wurde, dass Obertilliach erneut zum Austragungsort der originellen Zusammenkunft erkoren wurde. Ein vielseitiges Programm wurde auf die Beine gestellt, das sich über drei Tage zog und rund 90 Nachtwächter und Türmer mit Begleitpersonen vom 25.5. bis 28.5.2017 nach Osttirol führte. Das eindrucksvolle Bild der stattlichen Männer mit Lodengewändern, Laternen, Hellebarden und Horn begeisterte nicht nur die Bevölkerung in Obertilliach, sondern sorgte auch beim Aufmarsch in der Osttiroler Bezirkshauptstadt Lienz am Freitag, 26.5., für viel Aufsehen. Den Höhepunkt des Events bildete der gemeinsame Marsch der Nachtwächter und Türmer am Samstagabend, 27.5., in Begleitung der örtlichen Musikkapelle und Schützen zur Obertilliacher Kirche. Hier wurde gemeinsam ein ökumenischer Gottesdienst zelebriert und anschließend die Standarte an den nächsten Veranstalter des europäischen Zunfttreffens – Schwarzenberg/Deutschland – übergeben.

Philipp Brunner lieferte uns aus Lienz und Obertilliach die stimmungsvollen Bilder des Events. Viel Freude beim Durchklicken!

Am Freitagvormittag, 26.5., wurden die Nachtwächter und Türmer in Lienz von Vize-Bürgermeister Siegfried Schatz als offiziellem Vertreter der Stadtgemeinde am Lienzer Hauptplatz empfangen. Anschließend zogen die Zunftbrüder durch die Straßen und Gassen der Osttiroler Bezirkshauptstadt und überraschten mit Liedern und Instrumentenspiel. 

Am Freitagabend, 26.5., marschierten rund 90 Vertreter der Zunft zur Obertilliacher Pfarrkirche – ein Bild, das Gäste wie Einheimische begeisterte.

28. Mai 2017 um