Harmonika-Weltmeister mit Hang zum Instrumentenbau

Jakob Bergmann ist nicht nur Harmonika-Weltmeister, mit viel Geschick und Präzision entwickelt und baut er auch Musikinstrumente – und das trotz einer starken Sehbehinderung.

Aufgewachsen ist der heute 44-Jährige im Osttiroler Villgratental. „Aufgrund meiner Sehbehinderung – mein Sehvermögen liegt bei nur drei Prozent – besuchte ich die Blindenschule in Wien, wo ich auch die Ausbildung zum Betriebstelefonisten abschloss. Diesen Beruf übe ich mittlerweile seit mehr als 25 Jahren an der Universität Innsbruck aus“, berichtet er. Musik hat Jakob Bergmann schon immer fasziniert. Er beherrscht mehrere Instrumente, u.a. Trompete, Gitarre, verschiedene Bassinstrumente sowie Steirische Harmonika – und er singt auch sehr gerne. Mit der Diatonischen Ziehharmonika konnte er 1997 sogar den Weltmeister-Titel aus Italien nach Tirol holen. 20 Jahre nach diesem großen
Erfolg findet der WM-Bewerb für die Steirische Harmonika übrigens in seiner Heimatgemeinde Außervillgraten statt. Am 26. Mai 2017 werden auch „Jakob Bergmann und seine Musikanten“ dort zu hören sein – mit internationaler Folklore von Italien über England bis nach Südamerika.

„Vielseitigkeit und Abwechslung sind mir besonders wichtig. Ich will immer wieder etwas Neues ausprobieren. Meine Liebe zum Handwerk reicht schon lange zurück. Irgendwann habe ich damit begonnen, mich mit dem Bau von Musikinstrumenten zu beschäftigen.“ Gemeinsam mit seiner Frau und den Söhnen Jakob und Michael lebt der Musikbegeisterte in Innsbruck. In einem Kellerabteil hat er sich hier auch eine kleine Werkstatt eingerichtet. „Vor Kurzem konnte ich das 5. Werkstück des von mir entwickelten Kontraakustik-Basses fertigstellen“, freut er sich.

Für seine präzise Handwerksarbeit verwendet er Blindenhilfsmittel als Werkzeuge. Der Rollmeterstab weist eine Zentimeter-Skalierung auf. Damit „ertastet“ Jakob die Abmessung der einzelnen Bestandteile. Mit Hilfe eines Blinden-Messschiebers misst er Schrauben, Bohrerdurchmesser oder Fräsköpfe. „Die Schieblehre ist mein wertvollstes Werkzeug. Sie misst auf Zweizehntel Millimeter genau und ist eine seltene Spezialanfertigung, die ich zufällig erwerben konnte“, schwärmt der Instrumentenbauer. Zum Abrunden der Kanten verwendet er kleine Spezialhobel, die er aus Japan
bezogen hat.

Der von ihm entwickelte und gebaute Kontraakustik-Bass kann nur gezupft, also nicht mit einem Bogen gestrichen werden. „Die Seiten an meinem Bass sind kürzer als jene des klassischen Kontrabasses. Das Instrument kann dadurch viel feiner und präziser gezupft werden. Außerdem ist mein Kontraakustik-Bass sehr leicht, weil die Holzteile besonders dünn ausgearbeitet sind.“ Jakob Bergmann legt größten Wert auf Akustik und „Naturklang“. Sein Kontraakustik-Bass wird daher nur unverstärkt, also unplugged, gespielt. Für die Decke verwendet er das Holz der Bergfichte, der Rest des
Instrumentes (Seitenteile, Boden und Hals) wird aus dem Holz des Tiroler Bergahorns gefertigt „Einzig für das Griffbrett greife ich auf ein hartes Tropenholz, ein Palisander-Furnier, zurück. Die Metallteile – Mechanik, Saiten und Stachel – kaufe ich zu“, gibt er einen Einblick in sein handwerkliches Tun.

Die Musik liegt nicht nur ihm, sondern seiner gesamten Familie sprichwörtlich im Blut. Mit ihr tritt er manchmal auch als Ensemble „Die Bergmänner“ auf. „Mein Sohn Jakob spielt die Gitarre, Michael den Kontraakustik-Bass, ich natürlich die Steirische Harmonika, und meine Frau singt dazu.“ Weil sich seine Frau beruflich u.a. mit dem Einsatz von Klängen in der Kinesiologie beschäftigt, kam Jakob auf die Idee, ein großes Klangspiel zu entwickeln und zu bauen. „Zauberklangspiel“ nennt er seine Erfindung. „Messingrohre dienen zur Klangerzeugung, verschieden große Resonanzräume aus der Tiroler Bergfichte verstärken den Klang. Das Instrument ist pentatonisch gestimmt. Das heißt, egal, welche Rohre man gleichzeitig anschlägt, sie klingen immer harmonisch. Den Nachklang hört man bis zu zwei Minuten. Beim Zauberklangspiel entsteht ein wesentlich intensiveres und vielschichtigeres
Klangerlebnis als etwa bei einer Klangschale.“

Für die Steirische Harmonika hat der Tiroler auch Lernvideos entwickelt: „Ich wurde früher oft gefragt, ob ich nicht Unterricht geben oder Seminare halten könnte. Ich habe mich für Lernvideos entschieden, mit denen man das Ziehharmonika-Spielen ohne Vorkenntnisse erlernen kann. Nicht nur aus meiner alten Heimat Osttirol, aus der ganzen Welt erhalte ich dafür immer wieder positive Rückmeldungen.“ Seit rund zehn Jahren musiziert der vielseitige Familienvater unter dem Namen „Jakob Bergmann und seine Musikanten“ gemeinsam mit Musikerkollegen. Zu ihnen zählt auch der Gitarrenbaumeister Hermann Erlacher. „Er gibt mir oft wertvolle Tipps für den Instrumentenbau“, sagt Jakob Bergmann. Mit einer schweren Sehbehinderung zu leben, sei nicht leicht, meint er abschließend. „Aber beim Musizieren und Instrumentenbau kann ich immer wieder Neuland betreten. Dies bietet mir genügend
Abwechslung und öffnet mir jene Herausforderungen, die ich am Leben so liebe.“

Informationen zu den Lernvideos auf www.jakobbergmann.com

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol heute

14. März 2017 um