Auf historischen Wegen von Obermauern nach Lavant

Zum zweiten Mal wanderte heuer eine Gruppe nach Ostern von Virgen nach Lavant und folgte damit einer historischen Wallfahrt, die auf ein Gelöbnis aus dem 17. Jh. zurückgeht.  

2015 wurde das Brauchtum rund um den „Virgentaler Opferwidder“ in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Die Wallfahrt hat eine lange Tradition und gründet auf einem Gelöbnis aus dem 17. Jahrhundert. Damals wütete in den Tälern an der Isel die Pest, der im Virgental jeder Dritte zum Opfer gefallen sein soll. Laut Überlieferung suchten die Virger und Prägratner in ärgster Not Zuflucht bei Gott und versprachen, eine jährliche Prozession mit einem weißen Widder nach Lavant zu unternehmen, um von der Pest erlöst zu werden. Ein bekanntes Votivbild, das einen mit dem Tod ringenden Widder darstellt, zeugt von diesem „immerwährenden Verlöbnis“.

Die Pilgergruppe mit 24 Frauen und Männern nach ihrer 52 Kilometer langen Wallfahrt am Wirts-Platzl in Lavant.

Die Pilgergruppe mit 24 Frauen und Männern nach ihrer langen Nachtwanderung am Wirts-Platzl in Lavant.

Seit 1920 wird der „Lauantwidder“, wie er im Volksmund noch heute genannt wird, nicht mehr nach Lavant, sondern nach Obermauern geführt. Bis heute halten die Menschen im hinteren Iseltal dieses Brauchtum aufrecht. Der Widder wird längst nicht mehr geschlachtet. Früher wurde er versteigert, seit einigen Jahren wird der „Opferwidder“ bei einer Tombola als Hauptpreis verlost. Der Gewinn kommt den Pfarrgemeinden von Virgen und Prägraten zugute. Rund 50 Kilometer weiter südlich der Wallfahrtskirche Maria Schnee – in der Gemeinde Lavant – begann man in den 1970er-Jahren mit der Wiederbelebung der alten Tradition. Seitdem feiert man den Kirchtag traditionell am zweiten Sonntag nach Ostern und führt jedes Jahr einen prächtig aufgeputzten Widder in einer Prozession vom Wirts-Platzl über den Kirchweg zur Wallfahrtskirche Maria Lavant.

In Lavant ist auch der Osttiroler Wolfgang Hanser seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Brauchtum befasst. Als gelernter Koch und Gastronom – der 41-Jährige ist Geschäftsführer des Hotels Holunderhof – kümmerte er sich ursprünglich vor allem um die kulinarischen Genüsse rund um den Lavanter Kirchtag. Vor einigen Jahren kam ihm der Gedanke, dass man auch die historische Wallfahrt von Virgen nach Lavant wiederbeleben könnte. „2015 stellten wir uns erstmals dieser Herausforderung und gingen in der Nacht vor dem Kirchtag die über 52 Kilometer lange Strecke von Obermauern nach Lavant“, erzählt er. Elf Lavanter und Dölsacher waren im Vorjahr mit dabei.

Ziel der historischen Wallfahrt ist die Pfarrkirche St. Ulrich am Lavanter Kirchbichl.

Ziel der historischen Wallfahrt ist die Pfarrkirche St. Ulrich am Lavanter Kirchbichl.

Heuer nahmen in der Nacht auf den 10. April bereits 24 Personen an der Wallfahrt teil, darunter neben Teilnehmern aus dem Lienzer Talboden auch Virgentaler und Matreier. „Am Samstagabend trafen wir uns in Virgen, um dort beim Panzlwirt zunächst unsere Kohlenhydratspeicher aufzufüllen. Nach der Pilgersegnung, die übrigens unser Dekan organisiert hat, starteten wir um 20.45 Uhr in Richtung Lavant.“ Über Mitteldorf wanderten die 24 Frauen und Männer weiter zur so genannten „Silbergrube“ nach Matrei, dann der Isel entlang über den „Klauswald“ nach Huben. Nach einer kleinen Stärkung zu mitternächtlicher Stunde im Café „Landerl“ führte die Route die Pilger über St. Johann, Ainet und Oberlienz, bis man in der „Pfister“ das Stadtgebiet von Lienz erreichte.

Wolfgang Hanser: „Im nächsten Jahr will ich für die Pilger eine Labestation in St. Johann im Walde und ein Frühstück in Lavant organisieren. 2010 plane ich, wieder einen Widder auf der gesamten Strecke zwischen Virgen und Lavant mitzuführen."

Wolfgang Hanser: „Im nächsten Jahr will ich für die Pilger eine Labestation in St. Johann im Walde und ein Frühstück in Lavant organisieren. 2020 plane ich, wieder einen Widder auf der gesamten Strecke zwischen Virgen und Lavant mitzuführen.“

„Über die Schlossgasse ging es bis zum Hauptplatz. Um 6.15 Uhr langten wir dort ein. Außer uns war zu dieser frühmorgendlichen Stunde noch kaum jemand in den Straßen der Stadt unterwegs“, erinnert sich Wolfgang Hanser zurück. Pünktlich zum Start der „Lavanter Widderprozession“ trafen die Wallfahrer am „Wirts-Platzl“ in Lavant ein. „In der Nacht kilometerlang zu gehen und hautnah in freier Natur dabei zu sein, wenn der Tag erwacht – das ist einfach ein tolles Erlebnis“, schwärmt Hanser. Der Lavanter teilte die Erfahrung des „Betens mit den Füßen“ heuer übrigens auch mit seinem Bruder Peterpaul und seiner Schwester Roswitha. „Peterpaul hat gemeint, dass diese Wanderung von Virgen nach Lavant durchaus mit dem bekannten und anstrengenden Vierbergelauf in Unterkärnten
vergleichbar ist“, erzählt er.

wallfahrtlavant3_c_brunner
In Zukunft will Wolfgang Hanser die Organisation rund um diese besondere Wallfahrt erweitern. Für 2017 plant er die Einrichtung einer Labstation in St. Johann im Walde und ein gemeinsames Frühstück für alle Teilnehmer in Lavant, wobei er sich auf die Unterstützung durch den Verein „Die G’selligen“ verlassen kann. Auch Spargelbauer Josef Kaplenig hat seine Hilfe schon zugesagt. Etwas ganz Besonderes hat der Osttiroler für das Jahr 2020 angedacht: 100 Jahre nach dem letzten Opferwidder-Zug von Obermauern nach Lavant soll wieder ein weißen Widder auf der über 50 Kilometer langen Strecke mitgeführt werden. „Dann wird die Wanderung allerdings wesentlich länger dauern“, so Hanser, der weiß, dass die Wallfahrt mit dem Widder in früheren Zeiten zwei Tage beanspruchte. „Mir schwebt vor, die Unterbringung des Tieres bei Bauern und Nächtigungsplätze für die Pilger zu organisieren.“

Eine Konkurrenz zum Brauchtum, wie es im Virgental seit Jahrhunderten gepflegt wird, will der begeisterte Wanderer aber auf keinen Fall entstehen lassen. „Vielleicht ergibt sich über die Pflege der historischen Wallfahrt sogar wieder eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Bewohnern des nördlichen und jenen des südlichen Osttirol!“

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Brunner Images, Osttirol heute/Mühlburger

07. Mai 2016 um