Oster-Interview mit Dekan Mag. Bernhard Kranebitter

Wir sprachen mit dem Lienzer Dekan über die Osterbotschaft, Papst Franziskus und die neue Einfachheit sowie über aktuelle Herausforderungen in unserem Bezirk.

Herr Dekan, was ist der Kern der Osterbotschaft? 

Eigentlich können wir erst in die Dunkelheit schauen, wenn wir das österliche Licht erfahren haben. Die Jünger sind zunächst bekanntlich vor dem Kreuz geflohen und konnten den Sinn nicht verstehen, als sie dem Auferstandenen begegneten. Und obwohl sie ihn verleugnet, verraten und im Stich gelassen haben, hat ihnen Jesus keine Vorwürfe gemacht, als er ihnen als der Auferstandene zu Ostern gegenübertrat. Er hat zu den Jüngern gesagt: „Der Friede sei mit Euch!“

Wie kann diese Friedensbotschaft für den Menschen der heutigen Zeit erlösend und befreiend wirken?

Mutter Teresa hat bei einem ihrer Besuche in Europa erklärt: „Die Armut in Europa ist die Einsamkeit.“ Hier reicht uns Jesus als Auferstandener die Hand, wenn er meint: „Wer glaubt, ist nicht allein. Ich bin bei dir alle Tage, selbst im Tod und darüber hinaus.“ Der Auferstandene stiftet Gemeinschaft. Deshalb feiern wir Ostern mit der Familie, mit Freunden und mit allen, die an Jesus Christus glauben.

Wovon müssen wir heutzutage erlöst werden?

Ich denke, dass es hauptsächlich um unsere Ängste geht. Die Angst, nicht bestehen zu können – vor den eigenen Erwartungen, jenen der anderen, vor den Erwartungen der Gesellschaft, des Arbeitgebers, des Partners und auch vor der Moral der Kirche.

Wie kann uns hier die Erlösungsbotschaft helfen?

Die Botschaft Gottes für jeden Menschen ist: „Du gehörst zu mir. Ich kenne dich bei deinem Namen und liebe dich, so wie du bist.“ Ich muss Gott nichts vormachen und ihm nichts beweisen. Ich darf so sein, wie ich bin, weil er hat mich so geschaffen – in meiner Einzigartigkeit, als unverwechselbare Person, mit meinen Stärken, Schwächen und Grenzen.

Wodurch wird dieses Urvertrauen in uns selbst bedroht?

Es gibt viele Verwundungen in uns, wie etwa durch Beziehungsbrüche oder durch fehlende Geborgenheit. Und es greift auch eine gewisse ,Wohlstandsverwahrlosung‘, wenn man das so nennen kann, um sich. Beziehungen werden häufig durch Konsumgüter ersetzt, von denen wir abhängig werden. Im Grunde sucht aber jeder Mensch danach, geliebt zu werden und nach Möglichkeiten, Liebe geben zu können.

Papst Franziskus wünscht sich die Rückkehr zur Einfachheit und die Abkehr von einer Weise des Wirtschaftens, die ausschließt und in die Armut drängt.

Er meint damit, dass unsere Gedanken nicht nur um uns selber kreisen sollten, dass wir uns aus unserer Selbstbezogenheit lösen müssen. Dies gilt im Übrigen auch für die Kirche selbst. Papst Franziskus wünscht sich eine Kirche und Christen, die aus sich selbst herausgehen, über die gewohnten Grenzen hinaus. Christen, die auf die Straße gehen, zu den Menschen an den Grenzen des Lebens, wo das Evangelium oft nicht präsent ist: in jeglichem Elend des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Einsamkeit, der Gottferne, der Unversöhntheit und der Sünde.

Wie können wir die Einfachheit, die Franziskus predigt, in unseren Alltag integrieren?

Der Papst fährt zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seinen Fastenexerzitien. Auch unser Bischof Manfred Scheuer und der evangelische Superintendent Tirols, Olivier Dantine, laden heuer zum gemeinsamen Autofasten ein. Der Papst wünscht sich, dass man es wagt, neue Wege zu beschreiten und sich, wenn notwendig, dabei auch ,schmutzig‘ macht. Er betont, dass es zulässig ist, dass man Fehler begeht und manchmal scheitert. Er sagt, dass ihm das lieber sei als selbstgenügsame Menschen und Christen. Der Weg hin zu den Armen soll auch bedeuten, sich der Armut im eigenen Land zu stellen. Mit dem Blick auf die Osterbotschaft bedeutet das für mich auch, auf  Menschen, von denen ich mich entfernt habe oder die ich innerlich sogar ablehne, mit Respekt und Achtung neu zuzugehen.

Hat Papst Franziskus wirklich Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit?

Ja, für mich schon! Es wird uns immer mehr bewusst, dass wir auf dieser Welt in einem globalen Dorf leben. Wir können hier nur gemeinsam überleben. Das gilt für die Menschheit genauso wie für den Planeten. Die Osterbotschaft und auch der Papst sagen uns, ein erfülltes Leben in Freude und die Verantwortung für die Schöpfung sind möglich. Der Ostergruß drückt die Freude über den Auferstandenen aus und die Botschaft, dass er im Kern Angst, Einsamkeit und Tod schon besiegt hat.

Probleme des Bezirkes Lienz sind v.a. die hohe Arbeitslosigkeit und die Abwanderung. Kann uns die Osterbotschaft auch bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen?

Mit dem Osterevangelium kann man natürlich nicht Arbeitsplätze schaffen. Der Glaube an die Auferstehung fördert aber Haltungen, die auch beim Prozess „Vordenken für Osttirol“ für wichtig gefunden werden. Das österliche Halleluja verbläst die Mentalität des Jammerns. Der Gekreuzigte Jesus kommt am Ostersonntag nicht als bemitleidenswertes Opfer zurück. Er hat die Opferrolle überwunden und holt die Jünger hinter ihren verschlossenen Türen hervor. Er befreit sie von Angst und sagt: „Fürchtet euch nicht, brecht auf, geht hinaus!“ Die Auferstehungsbotschaft und die jungen Christengemeinden haben ausgehend von einer kleinen, scheinbar unbedeutenden Provinz des römischen Reiches mit ihrer Innovation die Metropolen ,erobert‘.

Ohne Glauben geht nichts! Wir dürfen realistisch daran glauben, dass Osttirol eine unvergleichlich familienfreundliche Lebensqualität hat, mit seiner Natur und seinen lebendigen Traditionen. Der Bezirk weist ein hohes Potential an fleißigen und bodenständigen Menschen sowie wertvolle spirituelle und künstlerische Ressourcen auf. Das österliche „Der Friede sei mit euch“ kann von Neid und Gegeneinander befreien. Im Miteinander ist immer wieder neuer Aufbruch möglich, auch im wirtschaftlichen Sinn. Das zieht an, damit auch junge Menschen ihren Lebensmittelpunkt (wieder) nach Osttirol verlegen.

Wie kann Ostern für uns alle zum Fest der Freude werden?

Die Osterfreude ist mehr als der Spaß am Frühling. Es gibt keine wirkliche Osterfreude ohne das Mitgefühl Jesu mit kranken und notleidenden Menschen, keine Osterfreude, wenn wir uns am Gründonnerstag nicht von ihm einladen lassen an seinen Tisch und zu seinem letzten Abendmahl; wenn wir nicht seinen Leidens- und Kreuzweg am Karfreitag mitgehen und die Grabesruhe am Karsamstag aushalten. Für mich bricht die Osterfreude in der Feier der Osternacht durch: am Osterfeuer im Dunkel des Abends oder des Morgens, im Entzünden der Osterkerze, dem Osterhalleluja und dem Evangelium von der Auferstehung, der Erneuerung des Taufbekenntnisses mit brennenden Kerzen, der Osterkommunion und dem Ostermahl oder Osterfrühstück! Jesus Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden, Halleluja!

Danke für das Gespräch und frohe Ostern!

Interview und Foto: Raimund Mühlburger

18. April 2014 um