Faszination Geschichte: Buchpräsentation in Leisach

In der Schindelwerkstatt Kalser wurde am 3.10. das Buch „Die vergessene Burg von Leisach“ präsentiert. Wissenschaftler erläuterten den historischen Hintergrund.

Von Nietzsche, dem weltbekannten Philosophen, stammt das Zitat …„dass wir alle an einem verzehrenden historischen Fieber leiden“. Inwieweit diese Feststellung aus der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. heute, in Zeiten von Facebook & Co allgemeine Gültigkeit besitzt, sei dahin gestellt. Dass dies jedoch ganz sicher auf die Familie Kalser aus der Osttiroler Gemeinde Leisach zutrifft, wurde im Rahmen der Buchpräsentation „Die vergessene Burg von Leisach“ am Abend des 3. Oktober in der Schindelwerkstatt Kalser mehr als deutlich. Das „historische Fieber“, das Interesse an der Geschichte der unmittelbaren Heimat, legte der Vater des heutigen Buchautors, der „Pfeiferbauer“ Peter Kalser, seinen Kindern sprichwörtlich in die Wiege. Er war nicht nur selbst häufig im Wald unterwegs und brachte verschiedene Funde mit nach Hause, sondern erzählte seinen sieben Söhnen und drei Töchtern auch Sagen, von denen sich eine um den „Mordbichel“ und eine um das „Rabaschlössl“ (Räuberschloss) rankte. Seinem Vater widmete Josef Kalser, Schindelmacher aus Leisach, auch das nun publizierte Buch, das schwerpunktmäßig auf die Erforschung der „Neuenburg“, der vergessenen Burg von Leisach, ausgerichtet ist.

Schon als Bub hatte sich Josef Kalser, angeregt von den Berichten seines Vaters, gemeinsam mit anderen Kindern auf Entdeckungsreise nach der geheimnisvollen Ritterburg gemacht. Viele Jahre später weckte eine Begegnung mit dem Sondengeher Peter Egartner aus Glanz erneut das Interesse an der Suche nach der „Neuenburg“. Was die Erkundungsgänge der beiden und die intensive Beschäftigung des Hobbyforschers Josef Kalser mit dem Gebiet vom Schlossberg bis zur Lienzer Klause zutage gebracht haben, erstaunt und fasziniert nicht nur den historischen Laien. Auch für die Wissenschaft ist die Region von großem Interesse, wie der Leiter des Institutes für Archäologien an der Universität in Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Harald Stadler, am Abend des 3.10. in Leisach erläuterte. Bevor Prof. Stadler näher auf die Thematik einging, wies er auf die allgemeine Problematik bzw. auf den von ihm so bezeichneten „Kampf der Archäologen mit Sondengängern“ und deren Suche nach historischen Artefakten auf Kosten des archäologischen Befundes hin. Im Unterschied zu vielen anderen habe sich Josef Kalser aber an die Wissenschaft gewandt, seine Suche und Funde bekannt gegeben und damit die Basis für wichtige neue, fachlich fundierte Erkenntnisse geschaffen.

Der gebürtige Osttiroler und Leiter des Institutes für Archäologien in Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Harald Stadler, gratulierte Josef Kalser zu seinem Buch: „Lieber Josef, du hast Spuren hinterlassen!“

Der gebürtige Osttiroler und Leiter des Institutes für Archäologien in Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Harald Stadler, gratulierte Josef Kalser zu seinem Buch: „Lieber Josef, du hast Spuren hinterlassen!“
2012 habe er, so Prof. Stadler, die Funde gesehen, 2012 sei auch die Fundmeldung an die Behörden erfolgt, und 2013 hätten zahlreiche Fundstücke erfasst, bestimmt und gezeichnet werden können. 2014 schließlich wurden unter Leitung von Assoz.-Prof. Dr. Grabherr auf dem „Klosterfrauenbichl“ Feststellungsgrabungen auf den verschiedenen Hügelterrassen durchgeführt. Die historischen Artefakte sind, wie Prof. Stadler ausführte, verschiedenen Zeitphasen zuzuordnen. Über 600 zu Tage geförderte Einzelfunde etwa stammen aus der Zeit von ca. 400 v. Chr. bis ca. 400 n. Chr. Sie bezeugen – auf dem Gebiet der Stadt Lienz – einen Kultplatz aus der jüngeren Eisen- und aus der Römerzeit und können als Hinweise auf Brandopfer und einen Brandopferplatz, dessen Ursprung bis in die Zeit um 500 v. Chr. zurückreicht und der in der Römerzeit seine Fortsetzung fand, gedeutet werden.

Als besonders einmaliges, weil europaweit bis dato erst 11 Mal entdecktes Objekt gilt das Teilstück eines Carnyx, einer Kriegstrompete der Kelten.

Als besonders einmaliges, weil europaweit bis dato erst 11 Mal entdecktes Objekt gilt das Teilstück eines Carnyx, einer Kriegstrompete der Kelten.
Auf diesen besonderen Fund ging der Klagenfurter Archäologe Univ.-Doz. Dr. Paul Gleirscher, Leiter der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte am Landesmuseum Kärnten, am 3.10 in Leisach näher ein. Durch zahlreiche weitere Funde – im Buch Josef Kalsers mittels zahlreicher Abbildungen bestens illustriert – konnte der Standort der „Neuenburg“, einer der frühesten beurkundeten Burgen im gesamten Raum des alten Tirol, auf dem Gebiet der Gemeinde Leisach lokalisiert und gesichert werden. Ferner wurde auf dem Schlossberg auch ein kleiner Münzschatz aus der Zeit der Grafen von Görz entdeckt, den Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Helmut Rizzolli aus Bozen präsentierte.

Musikalisch umrahmt wurde der sehr interessante und besondere Abend in der Schindelwerkstatt Kalser in Leisach von der Tochter des Buchautors Silvia Kalser (Sopran) und von Ursula Oberwalder (Alt), begleitet von Lorenz Steidl am Klavier. Das Buch „Die vergessene Burg von Leisach“ ist in der ersten Auflage bereits vergriffen, Familie Kalser beabsichtigt, bis Ende Oktober die zweite Auflage zu publizieren.

Text: E. Hilgartner, Fotos: Brunner Images und Osttirol heute/Kraner

04. Oktober 2014 um