Selbsthilfe: Neue Wege entstehen im Gehen

Die neue Selbsthilfegruppe für Menschen mit einem psychisch erkrankten Kind wird im Jänner 2017 in Lienz ihre Arbeit aufnehmen – geleitet wird sie von Michaela Häusler.

Wir leben in einer Zeit, in der die Zahl psychisch Erkrankter aufgrund verschiedener Ursachen zunimmt. Trotzdem ist für so manchen das Wort „Psyche“ bzw. „psychisch krank“ noch immer mit etwas Befremdlichem behaftet, das nicht selten mehr Angst macht als ein körperliches Leiden. Ob man nun selbst betroffen ist oder als Angehöriger eine psychische Erkrankung im unmittelbaren familiären
Umfeld miterlebt – die Situation stellt jeden Einzelnen vor große Herausforderungen. Viele fühlen sich, oft über Jahre hinweg, allein gelassen, sind zerrissen zwischen dem Wunsch nach „Normalität“ und dem Schmerz des Wahrhaben-Müssens und -Könnens der Erkrankung. Hinzu kommt, dass psychische Störungen in unserer Gesellschaft leider immer noch ein Tabuthema sind und viele betroffene Familien bemüht sind, nichts nach außen dringen zu lassen, um einer möglichen Stigmatisierung auszuweichen.

Ein langer, mitunter steiniger Weg liegt hinter der Osttirolerin Michaela Häusler. Die gelernte Krankenschwester sieht sich seit rund 20 Jahren mit einer psychischen Erkrankung eines ihrer drei Kinder konfrontiert. Erste Anzeichen stellte sie bereits im Kleinkindalter fest, über eine lange Zeit hinweg erhielten sie und ihr Sohn, trotz unzähliger Arztbesuche, Untersuchungen und der Konsultation
diverser Experten, jedoch keine klare Diagnose. „Bis zum 15. Lebensjahr war immer nur von einer diffusen Entwicklungsverzögerung die Rede. Dies machte vieles noch schwieriger“, berichtet sie, die nie aufgehört hat, für ihr Kind zu kämpfen und für es einzustehen. „Ich bin stolz, die Mutter dieses Sohnes zu sein.“ Immer wieder suchte sie nach einem Weg heraus aus der schwierigen, oft die gesamte Familie belastenden Situation.

Zwischenzeitlich steht fest, dass es sich um eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis handelt. „Mein Sohn befindet sich derzeit in stationärer Behandlung, und es geht ihm, den Umständen entsprechend, gut. Für uns, für mich wie für ihn, bedeutet dies nun, uns selbstbestimmt wiederzufinden und auch zu lernen, loszulassen. Denn dann tun sich immer wieder auch neue Chancen auf“, sagt sie. Ihre persönlichen Erfahrungen will die Osttirolerin im Rahmen der neuen Selbsthilfegruppe an andere Angehörige psychisch erkrankter Kinder weitergeben: „Wenn man selbst ein solches Schicksal hat, fällt es wesentlich leichter, sich in ähnlich Betroffene hinein zu fühlen. Dabei handelt es sich, wie ich glaube, immer um ein Geben und Nehmen. Man teilt sein eigenes Wissen und das, was man erlebt hat, mit anderen, erhält aber auch Anregungen oder Impulse für die Bewältigung
der eigenen Situation.“

Um sich der oft empfundenen, eigenen Hilflosigkeit und Gefühlen wie Hoffnungslosigkeit, Trauer oder Schuld stellen zu können, brauche es Zeit, meint Michaela Häusler weiter. „Die Teilnahme an den monatlich stattfindenden Gruppentreffen soll die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen und unbefangen und ohne Scheu darüber zu reden, was einen bewegt. Man ist mit seinen Sorgen und
Ängsten nicht mehr alleine. Außerdem kann man durch die Auseinandersetzung mit der Krankheit das Fühlen, Verhalten und Denken des eigenen Kindes besser verstehen lernen und so zu einem `Experten in eigener Sache` werden.“ Wichtig ist ihr, ebenso wie Wolfgang Rennhofer, dem Geschäftsführer der Selbsthilfe Osttirol, zu informieren, dass die SH-Treffen immer freiwillig, kostenlos und anonym sind.

Die Gruppe „Das Leben mit (m)einem psychisch erkrankten Kind“ lädt ab Jänner 2017 jeden 4. Mittwoch im Monat jeweils um 15.00 Uhr in den SH-Treff am Rechten Iselweg 5a in Lienz ein. Für weitere Informationen stehen Michaela Häusler (Tel. 0676/7531883) und die Selbsthilfe Osttirol (Tel. 04852/606-290) zur Verfügung.

Text: E. Hilgartner, Foto: Osttirol Journal/Hotzler

09. Dezember 2016 um