Auf der Suche nach der „Seele“ einer Landschaft

Dass es Martlerln und Bildstöcke verdienen, sich ihres kulturellen und religiösen Wertes wieder bewusst zu werden, soll eine Spurensuche in Gaimberg zeigen.

An den Bildstöcken und Wegkreuzen Tirols braust der Verkehrsstrom der Zeit vorüber. Für sie hält kein Bus, ihretwegen steigt niemand auf die Bremse, sie sind im Sightseeing von Reisegesellschaften nicht eingeplant. Auch wir, die wir in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft leben, schenken diesen Zeichen der Verbindung von Landschaft und Glaube viel zu selten Beachtung, obwohl wir ihnen, gerade in vielen Teilen des Bezirkes Lienz, auf Schritt und Tritt begegnen. Dass es diese von ihren Besitzern oder ehrenamtlich Tätigen meist sehr liebevoll gepflegten Marterln, Bildstöcke oder Gedenktafeln am Wegesrand verdienen, sich ihres kulturellen wie religiösen Wertes wieder bewusst zu werden, soll unsere „Spurensuche“ in der Osttiroler Gemeinde Gaimberg zeigen.

An markanter Stelle in Obergaimberg findet sich das in seiner Form eher seltene Hofkreuz der Familie Neumair (vulgo Franzl). Bevor die Faschingalmstraße gebaut wurde, stand dieses „Dreifaltigkeitskreuz" neben einem Steig und wurde erst später an seinen heutigen Standort versetzt.

An markanter Stelle in Obergaimberg findet sich das in seiner Form eher seltene Hofkreuz der Familie Neumair (vulgo Franzl). Bevor die Faschingalmstraße gebaut wurde, stand dieses „Dreifaltigkeitskreuz“ neben einem Steig und wurde erst später an seinen heutigen Standort versetzt.

Von jeher haben Bilder auch dazu gedient, Gedanken und Vorstellungen zu veranschaulichen. Kunst, Kultur und Religion, ja auch die moderne Werbung kommen ohne sie nicht aus. Bildhafte Ausdrücke ergänzen die darstellende Kunst, Sprache und Schrift haben sich aus Bildern entwickelt. Ein besonders reicher Schatz an Gleichnissen, Geschichten und bildhaften Darstellungen ist kennzeichnend für die antike Welt der Bibel und die Geschichte des Christentums, was über die Jahrhunderte herauf auch in der so genannten „Volksfrömmigkeit“ einen deutlichen Niederschlag gefunden hat.

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Alle drei Landesteile des historischen Tirols sind in ihrer Kulturlandschaft von einer starken religiösen Tradition geprägt. Neben bekannten sakralen Baudenkmälern wie Kirchen, Klöstern und Wallfahrtsstätten findet sich in Nord-, Ost- und Südtirol auch eine große Zahl kleiner, aber sichtbarer Zeichen des Glaubens:  Wegkreuze, Bildstöcke und Bildzeichen. Mit ihnen haben Menschen – früher wie heute – versucht, der Verehrung Gottes und vieler Heiliger, ihrer Dankbarkeit, ihren Hoffnungen, aber auch ihrer Trauer, etwa nach dem viel zu frühen oder tragischen Tod geliebter Menschen, sichtbar Ausdruck zu verleihen.

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Historisch lassen sich Wegkreuze und Bildstöcke mancherorts auch damit erklären, dass man sie zur Kennzeichnung von Wegscheiden errichtete oder ihnen die Funktion von Grenzsteinen für das Gemeinde- oder Gerichtsgebiet zuwies. Den Menschen des Mittelalters dienten sie darüber hinaus auch als Orte der Zuflucht und des Betens nach Katastrophen oder Seuchen. Die so genannten „Peststöckln“ sind ein markantes Beispiel dafür. Wer durch die Ortsteile von Gaimberg wandert, findet hier mit über 50 Haus-, Hof- und Wegkreuzen sowie drei „Bildstöckln“ eine für eine flächenmäßig so kleine Gemeinde doch sehr beachtliche Anzahl an diesen Symbolen der Verbindung zwischen Landschaft, Mensch und Glaube.

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Geschmückt mit unterschiedlichen Kreuzen, z.T. auch mit Figuren von Heiligen versehen, präsentieren sie sich in einer Vielfalt, die Beachtung und Anerkennung verdient. Sie beeindrucken mit Schlichtheit und bescheidener Schönheit, die für diese sakrale Kleinkunst typisch ist und die auch den Alt-Bischof von Tirol, Reinhold Stecher, einst berührte. Er fasste seine Eindrücke unter dem Begriff „kleine Wunder am Wege“ zusammen und meinte, dass … „Bildstöcke und Wegkreuze auf den Wanderer warten, auf den, der dieser Welt noch im Detail nachspürt – nicht nur mit dem schnellen Weitwinkelblick. Sie warten auf den, der auf der Suche nach der Seele einer Landschaft ist.“

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Text: L. Sulzenbacher & E. Hilgartner, Fotos: Christian Walder, Philipp Brunner

11. September 2016 um